Was bedeutet die Dekarbonisierung für die Elektrifizierung und das Schweizer Stromnetz der Zukunft?
Das Schweizer Stromgesetz ist ein entscheidender Hebel für die Dekarbonisierung. Die Schweiz hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt: Bis zum Jahr 2050 will sie Netto-Null-Treibhausgasemissionen erreichen. Dieses Ziel ist seit der Annahme des Klima- und Innovationsgesetzes (KIG) auch gesetzlich verankert. Um dieses Netto-Null-Ziel zu realisieren, ist ein fundamentaler Umbau des Energiesystems notwendig, und dabei spielt die Dekarbonisierung eine zentrale Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Dekarbonisierung für die Schweiz?
Hauptziele des Schweizer Stromgesetzes.
Welcher ganzheitliche Ansatz wird zur Erreichung des Netto-Null-Ziels im Jahr 2050 vorgeschlagen?
Was die wichtigsten politischen Massnahmen umfassen.
Wie viele CO2-Emissionen verursacht die Schweizer Industrie?
Wie viele CO2-Emissionen verursachen die Schweizer Haushalte?
Wie viele CO2-Emissionen verursacht der Schweizer Verkehr?
Welches sind die Prioritäten der Dekarbonisierung bei Industrie, Verkehr und Haushalten?
Welche Prioritäten ergeben sich für das Schweizer Stromnetz?
Sektorübergreifende regulatorische Anpassungen.
Versorgungssicherheit im Winter.
Saisonale Speicherung von Sommer- zu Winterstrom.
Welche Rolle spielt die Wasserkraft bei der Dekarbonisierung?
Integration in europäische Energiesysteme.
Wie hoch ist der jährliche Nettostrombedarf in der Schweiz bis 2050?
Wann wird die Schweiz Netto-Null erreichen?
Was bedeutet Dekarbonisierung für die Schweiz?
Dekarbonisierung bedeutet die weitgehende oder vollständige Reduktion von Treibhausgasemissionen. Im Schweizer Energiesystem machen fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas derzeit rund 60% des Endverbrauchs aus und sind für grosse Mengen klimaschädlichen CO2 verantwortlich. Um klimaneutral zu werden, müssen diese fossilen Energien in den Sektoren wie Gebäude (Wärme), Mobilität und Industrie ersetzt werden. Ein Schlüsselelement dieser Transformation ist die Elektrifizierung. Das bedeutet, fossile Anwendungen direkt durch Strom zu ersetzen. Konkrete Beispiele sind der Umstieg von Öl- und Gasheizungen auf Wärmepumpen oder von Verbrennungsmotoren auf Elektrofahrzeuge. Auch die Industrie wird zunehmend auf Strom angewiesen sein, beispielsweise für Hochtemperaturanwendungen, die auch mit Bio- oder synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können.
Der steigende Strombedarf ist eine Herausforderung.
Diese umfassende Elektrifizierung führt zu einer markant steigenden Nachfrage nach elektrischer Energie. Gemäss verschiedenen Studien wird der Strombedarf der Schweiz von heute rund 60-65 TWh pro Jahr bis 2050 auf etwa 80 bis 100 TWh pro Jahr ansteigen. Damit dieser erhöhte Strombedarf nicht zu mehr Treibhausgasemissionen führt, ist es unerlässlich, dass der benötigte Strom grossmehrheitlich mit erneuerbaren Energien produziert wird. Die Schweiz hat zwar bereits heute eine praktisch CO2-freie Stromversorgung dank der Wasserkraft, aber die Steigerung des Bedarfs muss durch zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Quellen gedeckt werden.
Das Stromgesetz, auch "Mantelerlass" genannt, wurde vom Parlament beschlossen und musste aufgrund eines Referendums vom Volk am 9. Juni 2024 angenommen werden. Das zentrale Ziel des Stromgesetzes ist die Sicherung der Stromversorgung mit erneuerbaren Energien durch einen massiven Ausbau der heimischen Stromproduktion, insbesondere aus Sonne, Wind und Biomasse. Das Gesetz legt verbindliche Ausbauziele fest: Die Produktion aus neuen erneuerbaren Energien soll von heute (2022) 6 TWh pro Jahr auf 35 TWh bis 2035 und 45 TWh bis 2050 erhöht werden.
Das Stromgesetz ist ein zentraler Bestandteil, der entscheidende Hebel und sogar der Schlüssel, um die Dekarbonisierung zu ermöglichen und das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die Dekarbonisierung führt zu einem stark steigenden Strombedarf durch die Elektrifizierung. Das Stromgesetz schafft die notwendigen Rahmenbedingungen und Ziele, um die erforderliche zusätzliche Strommenge aus erneuerbaren Quellen im Inland zu produzieren.
Hauptziele des Schweizer Stromgesetzes.
Massiver Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Inland.
Das Gesetz schafft die Grundlagen und setzt Anreize, um die Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Sonne, Wind und Biomasse in der Schweiz rasch und umfassend zu erhöhen. Dies soll insbesondere auf Dächern und Fassaden von Gebäuden erfolgen.
Spezifische Ausbauziele für neue erneuerbare Energien.
Das Gesetz legt verbindliche Ziele fest, die Produktion aus neuen erneuerbaren Energiequellen (ohne Wasserkraft) von derzeit etwa 6 TWh pro Jahr auf 35 TWh pro Jahr bis 2035 und auf 45 TWh pro Jahr bis 2050 zu steigern. Auch die Wasserkraftproduktion soll bis 2035 auf 37.9 TWh ausgebaut werden.
Sicherstellung einer sicheren Stromversorgung.
Ein zentrales Anliegen der Vorlage ist die sichere Stromversorgung der Schweiz mit erneuerbaren Energien, insbesondere im Winter, wo die Schweiz derzeit von Importen abhängig ist. Das Gesetz beinhaltet Massnahmen zur Sicherung der Versorgung, einschliesslich einer obligatorischen Wasserkraftreserve.
Reduzierung der Abhängigkeit von Stromimporten.
Durch den Ausbau der heimischen Produktion soll die Abhängigkeit von Stromimporten verringert und das Risiko von Engpässen minimiert werden.
Ermöglichung der Dekarbonisierung.
Das Stromgesetz ist ein entscheidender Hebel und eine entscheidende Vorlage, um die für die Dekarbonisierung des Energiesystems benötigte Stromproduktion bereitzustellen. Es soll die notwendige Strommenge liefern, die für die Elektrifizierung von Sektoren wie Gebäude (z.B. durch Wärmepumpen) und Mobilität (z.B. durch Elektroautos) benötigt wird.
Förderung der Energieeffizienz.
Das Gesetz fordert auch eine Einsparung des Stromverbrauchs als verbindliches Ziel (2 TWh bis 2035).
Förderung von Innovation und Flexibilität im Stromnetz.
Es schafft Anreize, um Innovation und Flexibilität im Stromnetz zu fördern und erneuerbare Energien kosteneffizient und problemlos zu integrieren.
Transformation des Energiesystems.
Das Stromgesetz, das ein Bündel von Gesetzen darstellt, soll die notwendigen Rahmenbedingungen für die Transformation des Schweizer Energiesystems schaffen.
Eine Studie zeigt, dass ohne das Stromgesetz die Umstellung auf strombasierte Technologien (im Zuge der Dekarbonisierung) zu einer ungedeckten Stromnachfrage führen könnte. Diese müsste entweder durch unsichere Importe oder den Bau fossiler Kraftwerke in der Schweiz gedeckt werden, was die Treibhausgasemissionen erhöhen würde. Der Ausbau der heimischen erneuerbaren Stromproduktion durch das Stromgesetz ist notwendig, damit die Elektrifizierung zur Reduktion und nicht zur Verlagerung oder Erhöhung von Emissionen führt. Das Stromgesetz sorgt somit dafür, dass die für die Dekarbonisierung benötigte Stromproduktion mehrheitlich in der Schweiz aufgebaut und betrieben wird. Die Dekarbonisierung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft erfordert eine tiefgreifende Elektrifizierung, die den Strombedarf erheblich steigern wird. Das Stromgesetz ist die gesetzliche Antwort darauf, indem es die Rahmenbedingungen und Ziele für den notwendigen massiven Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Inland schafft.
Welcher ganzheitliche Ansatz wird zur Erreichung des Netto-Null-Ziels im Jahr 2050 vorgeschlagen?
Der ganzheitliche Ansatz erfordert die Transformation des Energiesystems und wird als 5E-Konzept bezeichnet. Es wird betont, dass alle fünf Handlungsfelder dieses Konzepts so weit wie möglich ausgeschöpft werden müssen, da die derzeit umgesetzten Massnahmen und Instrumente allein nicht ausreichen werden, um das Ziel zu erreichen.
5E-Konzept.
Das 5E-Konzept beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz zur Transformation des Energiesystems. Es betrachtet fünf verschiedene Handlungsfelder, die synergetisch umgesetzt werden sollen. Diese Handlungsfelder müssen alle so weit wie möglich ausgeschöpft werden, da die derzeit umgesetzten Massnahmen und Instrumente allein nicht ausreichen werden, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen.
E1: Nachfrage reduzieren.
Dieses Handlungsfeld zielt darauf ab, den Bedarf an Energiedienstleistungen zu senken. Beispiele hierfür sind die Absenkung der Raumtemperatur, die Reduktion der beheizten Fläche oder die Infragestellung von Normen und Erwartungen an Komfort. Auch die Eindämmung des Nachfrageanstiegs bei Energie- und Mobilitätsdienstleistungen (insbesondere im Luftverkehr) gehört hierzu.
E2: Effizienz.
Dieses Handlungsfeld konzentriert sich auf die Steigerung der Energieeffizienz über alle Sektoren hinweg. Massnahmen umfassen Anreize für Renovationsinvestitionen, Unterstützung des Wissenstransfers zur Effizienzsteigerung in der Industrie, oder die Nutzung kombinierter Optimierungen. Es geht darum, alle Effizienzsteigerungspotenziale in Gebäuden, Verkehr, Industrie und bei der konventionellen Stromnutzung auszuschöpfen.
E3: Fossile Brennstoffe ersetzen.
Hierbei geht es um den Ersatz fossiler Brennstoffe durch CO2-arme oder -freie Energie. Dies beinhaltet die Umstellung auf nicht-fossile Brennstoffe für die industrielle Wärmeerzeugung, den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen, und die Vermeidung möglicher Importe oder fossiler Kraftwerke. Auch die Entwicklung von vorhersehbaren Regulierungs-/Politikinstrumenten für Investitionsentscheidungen im Bereich erneuerbarer Erzeugung gehört dazu. Es wird von der Umstellung auf strombasierte Technologien im Zuge der Dekarbonisierung gesprochen.
E4: Recyceln.
Dieses Handlungsfeld bezieht sich auf die Förderung der kaskadischen Abwärmenutzung in industriellen Umgebungen sowie Materialrecycling.
E5: Entfernen negativer Emissionstechnologien (NET).
Dieses Feld umfasst Negative Emissionstechnologien (NET) wie Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS). Negative Emissionen zu entfernen ist wahrscheinlich notwendig, aber es ist besser, sich nicht auf diesen Weg zu verlassen, sondern ihn eher als eine Art "Sicherheitsnetz" zu betrachten. E5 wird als "letzter Ausweg" für Emissionen betrachtet, die aus technischen Gründen unvermeidbar sind.
Das 5E-Konzept dient als Rahmen, um die Komplexität des Energiesystems zu erfassen und die wichtigsten Handlungsfelder zu definieren.
Schlüsselkomponenten der Dekarbonisierung.
Bei der Dekarbonisierung gibt es Schlüsselkomponenten, die Teil eines solchen ganzheitlichen Ansatzes sind.
Energieeffizienz und Einsparung.
Eine Säule der Energiestrategie 2050 ist die Erhöhung der Energieeffizienz und die Senkung des Energieverbrauchs. Effizienzsteigerungen auf allen Ebenen sind auch Teil der Annahmen für das Netto-Null-Ziel 2050. Wirtschaft und Bevölkerung können durch freiwilliges Energiesparen wesentlich zur Energiesicherheit beitragen.
Elektrifizierung.
Die umfassende Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren wie Gebäude, Wärme, Verkehr (inkl. Luftfahrt) und Industrie ist ein entscheidender Weg zur Dekarbonisierung. Der Strombedarf wird dadurch voraussichtlich stark ansteigen.
Massiver Ausbau erneuerbarer Energien.
Um den steigenden Strombedarf zu decken und die Energieversorgung zu dekarbonisieren, müssen die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden, insbesondere Wasser-, Solar- und Windkraft sowie Holz- und Abfallenergie und Biogas. Der Ausbau soll vor allem auf Dächern und Fassaden von Gebäuden erfolgen. Alpine Photovoltaikanlagen und Windkraft werden als Möglichkeiten zur Steigerung der heimischen Stromerzeugung, insbesondere im Winter, genannt. Ohne den Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion ist das Netto-Null-Ziel nicht erreichbar.
Transformation des Energiesystems und Infrastruktur.
Dies beinhaltet den Umbau des Stromnetzes, um es fit für die Energiezukunft zu machen. Treiber sind die Dekarbonisierung, Dezentralisierung der Stromproduktion und Digitalisierung. Der Ausbau, die Verstärkung und die Digitalisierung des Stromnetzes sind notwendig, um mit dem starken Zuwachs von Solaranlagen und anderen dezentralen Quellen Schritt zu halten. Dies erfordert erhebliche Investitionen. Auch die Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt und die Zusammenarbeit mit Nachbarn sind zentral für die Versorgungssicherheit und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Der Ausbau von saisonalen Energiespeichern wird ebenfalls als wichtig erachtet. Sektorkopplung wird als wichtiger Bestandteil des Umbaus und möglicher Anwendungsbereich für innovative Technologien genannt.
Technologien für Restemissionen und synthetische Brennstoffe.
Ein zu 100% dekarbonisiertes Energiesystem bis 2050 ist schwierig zu erreichen, und der Einsatz negativer Emissionstechnologien (NET) wird als höchstwahrscheinlich unvermeidlich für die verbleibenden Restemissionen angesehen. Dazu gehören Technologien zur CO2-Entnahme aus der Umgebungsluft (z.B. DACCS). Für Bereiche, deren Elektrifizierung komplizierter ist, wie Langstreckentransporte, Luftfahrt und Hochtemperaturanwendungen in der Industrie, wird die Nutzung von Bio- oder synthetischen Kraftstoffen (wie grünem Wasserstoff oder E-Kerosin) als notwendig erachtet.
Politischer und regulatorischer Rahmen.
Langfristige Vorhersehbarkeit durch einen klaren Reduktionspfad, transparente Überwachung und eine gewisse Flexibilität sind wichtig. Marktwirtschaftliche Methoden wie eine CO2-Abgabe oder der Emissionshandel werden als wirtschaftlich wirksame Instrumente zur Emissionsreduktion und Internalisierung externer Kosten genannt. Gesetzliche Verankerungen wie das Klima- und Innovationsgesetz und das Stromgesetz sind zentrale Meilensteine zur Erreichung des Netto-Null-Ziels. Die bestehenden Kernkraftwerke können zur Dekarbonisierung bis 2050 beitragen, solange sie sicher sind. Neue Kernkraftwerke werden aufgrund von Entwicklungszeiten, Kosten und fehlenden politischen Rahmenbedingungen nicht vor 2040 oder 2050 erwartet, obwohl die Option einer Wiederzulassung von Neubauten diskutiert wird.
Was die wichtigsten politischen Massnahmen umfassen.
Schaffung eines kohärenten, langfristigen und
berechenbaren politischen Rahmens. Es fehlt derzeit eine kohärente langfristige
Dekarbonisierungsstrategie über alle Sektoren hinweg, was zu mangelnder
Planungssicherheit für Investoren und die Wirtschaft führt. Es braucht die
Formulierung langfristiger, vorhersehbarer (Zwischen-)Ziele mit spezifischen
Zielen und Meilensteinen für verschiedene Sektoren. Klare Signale der Politik
sind nötig, um Lock-in-Effekte zu bewältigen und "Stranded Assets" zu
vermeiden. Energiepolitik muss in die Gesamtpolitik eingebettet sein und
Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen berücksichtigen.
Der massive Ausbau der inländischen erneuerbaren Stromproduktion ist ein zentraler und entscheidender Hebel für die Dekarbonisierung, insbesondere im Zuge der zunehmenden Elektrifizierung von Verkehr und Gebäuden. Der Strombedarf wird stark ansteigen und das Angebot muss massiv ausgebaut werden, insbesondere im Winterhalbjahr. Das Stromgesetz (Mantelerlass) wird als wesentliche Vorlage betrachtet, um die dafür notwendige Stromproduktion bereitzustellen. Es sind zusätzliche politische Massnahmen erforderlich, um den Zubau von Photovoltaik und Windkraft zu beschleunigen. Dazu gehören Anreize für Kantone, Windgebiete auszuscheiden und PV-Anlagen in kantonale Energiegesetze aufzunehmen, die Prüfung einer Solarpflicht für alle geeigneten Gebäude, sowie die Unterstützung von Technologieinnovationen zur weiteren Kostensenkung.
Das Stromnetz wird zum Rückgrat der Dekarbonisierung. Es muss physikalisch massiv ausgebaut und digitalisiert werden, um die dezentrale Erzeugung und den steigenden Verbrauch (E-Autos, Wärmepumpen) zu bewältigen. Es sind raschere Bewilligungsverfahren auf allen Netzebenen erforderlich, nicht nur auf der Höchstspannungsebene (Ebene 1), wo oft der Fokus liegt, sondern insbesondere auf der Niederspannungsebene (Ebene 7), wo viele neue Solaranlagen angeschlossen werden. Politische Hürden wie die langwierige Standortsuche für Infrastrukturen (z.B. Trafostationen) müssen angegangen werden. Die Preis-/Tarifgestaltung im Stromnetz sollte angepasst werden, um der sich ändernden Rolle der Netzversorgung Rechnung zu tragen.
Die Sektorkopplung ist ein Schlüsselelement zur Optimierung der Gesamtenergieversorgung. Um ihr Potenzial zu nutzen, ist eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung notwendig, einschliesslich einer vollständigen Internalisierung der externen CO2-Kosten und einer äquivalenten CO2-Bepreisung aller Sektoren. Die Effizienzsteigerung ist eine Schlüsselkomponente. Politische Massnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs sollten über bewusste Verhaltensänderungen hinausgehen und Verhaltensmuster, soziale Normen und gemeinsames Zielsetzen durch Dialog, Information und Bildung unterstützen. Es sollte sichergestellt werden, dass bei Neubauten und Renovationen die beste verfügbare CO2-arme Technologie eingesetzt wird, unter anderem durch kantonale Baunormen. Das Vermieter/Mieter-Problem bei Gebäudesanierungen muss angegangen werden.
Die Schaffung wirtschaftlicher Anreize und der Abbau von Hürden als ein Mix aus Lenkungsinstrumenten (wie CO2-Abgabe) und Subventionen ist notwendig. Eine Erhöhung der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe kann wirksam sein, muss aber sorgfältig gestaltet werden (Kompensationsmechanismen) zur Erhöhung der Akzeptanz. Anreize für energiesparende Renovationen, insbesondere bei Mietwohnungen, sind wichtig. Eine Neuordnung des Mobilitätssteuersystems hin zu verbrauchsabhängigen Kosten wird diskutiert. Standards sollten Emissionen begrenzen, nicht Technologien vorschreiben. Es braucht die Mobilisierung von Finanzmitteln in sehr grossem Umfang.
Eine langfristige Integration in den europäischen Strommarkt ist entscheidend für die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter. Dies ist primär eine politische und weniger eine technische Herausforderung. Enge Zusammenarbeit mit der europäischen Politik, z.B. bei Wasserstoffstrategien, ist notwendig. Eine langfristige Strategie für den internationalen Bezug von CO2-armer Elektrizität und synthetischen Kraftstoffen ist erforderlich. Geopolitische Aspekte bei der Beschaffung neuer Materialien sind relevant.
Ein wichtiger Aspekt ist die Förderung von Akzeptanz der Bevölkerung und der Einbezug der Öffentlichkeit in den gesamten Prozess. Die öffentliche Akzeptanz ist entscheidend für den Erfolg von Massnahmen, insbesondere in der direkten Demokratie der Schweiz. Dies erfordert Dialog, Wissensgenerierung, Bildung, Kommunikation und die frühzeitige Einbindung von Interessengruppen und der Öffentlichkeit bei der Planung von Infrastrukturen. Auch sozioökonomische Fragen, wie die gerechte Verteilung der Lasten und die Unterstützung von Arbeitnehmern in rückläufigen Sektoren, müssen berücksichtigt werden. Feldversuche können helfen, Akzeptanz und Machbarkeit zu erhöhen.
Ebenso ein wichtiger Faktor ist die Unterstützung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Technologische Innovationen sind notwendig. Politische Massnahmen sollten die Entwicklung und Verbreitung kohlenstoffarmer Alternativen unterstützen. Neue Finanzierungssysteme können die Entwicklung neuer Technologien fördern. Auch Technologien für negative Emissionen (NET), obwohl nur als Sicherheitsnetz für Restemissionen gedacht, benötigen politische Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung, Kommerzialisierung und die Klärung von Governance-, Haftungs- und Akzeptanzfragen. Es braucht kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zur Steigerung der Energieeffizienz und Förderung innovativer Technologien.
Welche Länder sind die Penta-Länder und was ist das Pentalaterale Energieforum?
Die Transformation des Energiesystems ist eine komplexe Aufgabe, die über nationale Grenzen hinausreicht. In Europa arbeiten mehrere Länder eng zusammen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. Eine wichtige Gruppe in diesem Kontext sind die sogenannten Penta-Länder. Die Penta-Länder umfassen eine Gruppe von sieben europäischen Staaten:
- Belgien
- Deutschland
- Frankreich
- Luxemburg
- Niederlande
- Österreich
- Die Schweiz
Diese Länder arbeiten im Rahmen des Pentalateralen Energieforums zusammen. Am 18. Dezember 2023 trafen sich die Ministerinnen und Minister dieser Länder, darunter Bundesrat Albert Rösti für die Schweiz, in Brüssel und verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung. Mit dieser Erklärung haben die Penta-Länder Folgendes vereinbart:
- Sie wollen die Entwicklung einer nachhaltigen Energiezukunft vorantreiben.
- Ihre gemeinsame Vision ist es, ihr zusammenhängendes Stromsystem bis 2035 zu dekarbonisieren.
- Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wurden die wichtigsten Leitlinien festgelegt.
Die Vereinbarung unterstreicht das gemeinsame Bekenntnis dieser Länder zur Dekarbonisierung und zur Zusammenarbeit im Stromsektor, was angesichts der zunehmenden Elektrifizierung und der Notwendigkeit internationaler Koordination für Versorgungssicherheit und Netzausbau von grosser Bedeutung ist.
Wie viele CO2-Emissionen verursacht die Schweizer Industrie?
Der Industriesektor ist einer der vier grossen
Energiesektoren (neben Haushalten, Dienstleistungen und Verkehr), die im
Mittelpunkt der Betrachtung von CO2-Emissionen stehen. Die Industrie ist in der
Schweiz für rund einen Viertel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Im Jahr 2019 beliefen sich die CO2-Emissionen der Industrie (einschliesslich Abfallverbrennung und nicht-energetischer Nutzung) auf 11,3 Mt CO2, was 27% der gesamten CO2-Emissionen (einschliesslich Luftverkehr) ausmachte. Davon stammten 4,7 Mt CO2 aus energetischer Nutzung.
Zwischen 1990 und 2019 konnte die Industrie ihre CO2-Emissionen aus der Energienutzung um etwa 30% reduzieren. Ein grosser Teil des Energiebedarfs in der Industrie entfällt auf Prozesswärme (53%), die einen grossen Anteil an den CO2-Emissionen des Sektors hat.
Die Dekarbonisierung der Industrie ist ein wichtiger Hebel, damit die Schweiz das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreicht. Für bestimmte emissionsintensive Industrien, wie beispielsweise die Zementindustrie, bestehen derzeit noch keine geeigneten Technologien zur vollständigen Emissionsminderung. Zementherstellung wird als eine bedeutende Punktquelle für CO2-Abscheidung genannt, mit Emissionen zwischen 3 und 6 Mio. t CO2 pro Jahr. Auch die Abfallverbrennung (ebenfalls 3-6 Mio. t CO2) wird in diesem Kontext erwähnt.
Um die Emissionen in der Industrie zu senken, sind Massnahmen wie die Erhöhung der Energieeffizienz, die Umstellung auf nicht-fossile Brennstoffe sowie der Einsatz von Technologien wie der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) für emissionsintensive Prozesse erforderlich.
Es gibt politische Massnahmen und Förderungen, um die Industrie bei der Dekarbonisierung und der Entwicklung neuartiger Technologien und Prozesse, einschliesslich der CO2-Entnahme und -Speicherung, zu unterstützen. Dies erfolgt unter anderem über das Emissionshandelssystem (EHS) und das Klima- und Innovationsgesetz (KlG).
Wie viele CO2-Emissionen verursachen die Schweizer Haushalte?
Der Sektor "Gebäude" deckt den
Energiebedarf für Heizung, Kühlung und Warmwasser in Gebäuden ab. Dies
schliesst den Energieverbrauch von Haushalten für diese Zwecke ein. Die
CO2-Emissionen des Gebäudesektors betrugen 7.6 Millionen Tonnen CO2 (Mt CO2).
Dies entsprach 18 % der gesamten CO2-Emissionen der Schweiz einschliesslich
internationalem Flugverkehr in dem analysierten Zeitraum bis 2019.
Zwischen 1990 und 2019 haben sich die CO2-Emissionen im Gebäudesektor um etwa 35 % verringert. Der Energiebedarf in diesem Sektor umfasst Strom und Energie für Heizung, Kühlung und Warmwasser. Die beheizte Fläche in Gebäuden hat zwischen 1990 und 2018 zugenommen. Ein grosser Teil der in der Schweiz verbrauchten Endenergie stammt nach wie vor aus fossilen Quellen (58.8 % im Jahr 2021), wozu auch Brennstoffe für die Gebäudeheizung gehören. Die Dekarbonisierung im Gebäudesektor führt dazu, dass vermehrt Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser eingesetzt werden, die Strom nutzen.
Als Vergleichswert wird der Emissionsfaktor von Ölheizungen mit 265 g CO2eq/kWh Wärme angegeben. Das Klima- und Innovationsgesetz (KIG) fördert den Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen durch klimaschonende Heizungen finanziell.
Ohne das Stromgesetz würde die Umstellung auf strombasierte Technologien (wie Wärmepumpen im Gebäudesektor) zu einer ungedeckten Stromnachfrage führen. Dies könnte durch fossile Kraftwerke in der Schweiz gedeckt werden, was die Treibhausgasemissionen erhöhen würde.
Bei Annahme des Stromgesetzes und der damit verbundenen Dekarbonisierung des Gebäude- und Verkehrssektors (Annahme b) könnten die Treibhausgasemissionen im Inland bis 2035 um etwa 50% reduziert werden, im Vergleich zum Szenario ohne das Gesetz. Die Aufteilung, ob der zusätzlich verfügbare erneuerbare Strom eher für Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge genutzt wird, hat nur einen geringen Einfluss auf das Ergebnis der Emissionseinsparungen.
Wie viele CO2-Emissionen verursacht der Schweizer Verkehr?
Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors beliefen
sich im Jahr 2019 auf 20,4 Millionen Tonnen CO2 (Mt CO2). Diese Zahl entsprach
48 % der gesamten CO2-Emissionen der Schweiz, einschliesslich des
internationalen Flugverkehrs. Von den 20,4 Mt CO2 im Verkehrssektor entfielen
10,8 Mt auf Personenwagen und 5,7 Mt auf den Luftverkehr.
Betrachtet man die Treibhausgasemissionen des Verkehrs ohne den internationalen Flug- und Schiffsverkehr, so verursacht der Verkehr einen Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz. Eine detaillierte Aufschlüsselung der CO2-Emissionen des Verkehrs nach Verkehrsmittel im Jahr 2018, ebenfalls ohne internationale Luftfahrt, zeigt:
- Personenwagen: 73 %
- Lieferwagen: 8 %
- Lastwagen: 12 %
- Busse: 3 %
- Motorräder: 1,5 %
- Eisenbahn*: 0,2 %
- Schifffahrt: 0,8 %
- Nationale Luftfahrt: 0,8 %
- Pipelines: 0,2 %
- Tanktourismus und statistische Differenz: 0,7 %
*Die Eisenbahn hat praktisch keine Emissionen, da Strom bei der Bilanzierung als fossil-frei betrachtet wird.
Innerhalb des inländischen Verkehrs hat der motorisierte Individualverkehr (MIV) mit 73 Prozent den höchsten Anteil an den CO2-Emissionen. Dies entspricht etwa drei Viertel der gesamten Verkehrsemissionen ohne internationale Luftfahrt. Die Entwicklung der Emissionen im Verkehrssektor stellt eine Herausforderung dar: Die CO2-Emissionen des Strassenverkehrs erreichten um 2008 ihren Höchststand und sanken bis 2019 nur um 10% auf das Niveau von 1990. Im Gegensatz dazu haben die meisten anderen Sektoren seit längerer Zeit einen Rückgang verzeichnet.
Die Nachfrage nach Güter- und Personenverkehrsleistungen hat stetig zugenommen. Bescheidene Effizienzsteigerungen im motorisierten Individualverkehr konnten die steigende Nachfrage bisher nur teilweise kompensieren (Rebound-Effekt), sodass die CO2-Emissionen nur sehr langsam zu sinken beginnen.
Der Luftverkehr nahm bis 2000 stark zu, sank leicht bis 2019 (beeinflusst durch Ereignisse wie "9/11" und Finanzkrise), und nahm von 2010-2019 wieder um etwa 35% zu. Der Luftverkehr macht in der Schweiz rund 13 % der CO2-Emissionen aus und erfordert CO2-arme Treibstoffe für die Dekarbonisierung.
Drei Viertel der Schweizer Treibhausgasemissionen sind energiebedingt und stammen vorwiegend aus der Verbrennung fossiler Energieträger, wozu auch die im Verkehr genutzten Treibstoffe gehören. Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist ein zentraler Aspekt auf dem Weg zu Netto-Null und erfordert einen fundamentalen Umbau: Eine markante Reduktion der CO2-Emissionen ist nur durch deutlich mehr Fahrzeuge mit alternativen Antriebssystemen zu erreichen.
Der Übergang zu Netto-Null im Mobilitätsbereich bedeutet, dass die gesamte Fahrzeugflotte (inklusive öffentlicher Verkehr und Gütertransporte) spätestens bis 2050 über erneuerbare Energien angetrieben werden muss. Dies beinhaltet die Eindämmung der Nachfrage, die Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger, die rasche Elektrifizierung, Effizienzsteigerung des Antriebsstrangs, Reduzierung des Fahrzeuggewichts und schliesslich die Umstellung auf CO2-arme oder -freie Energieträger wie Wasserstoff (für Güterverkehr) und synthetische nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) für die Luftfahrt.
Die Elektrifizierung des Verkehrs führt zu einem stark steigenden Strombedarf. Ohne den nötigen Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (wie im Stromgesetz vorgesehen), die Umstellung auf Elektrofahrzeuge zu einer ungedeckten Stromnachfrage führen würde, die potenziell durch fossile Kraftwerke gedeckt werden müsste, was die Treibhausgasemissionen erhöhen würde.
Die Umsetzung des Stromgesetzes wird als entscheidend angesehen, um die Dekarbonisierung des Verkehrs- und Gebäudesektors durch die Bereitstellung von ausreichend erneuerbarem Strom zu ermöglichen. Studien schätzen, dass die Annahme des Stromgesetzes kumulierte Treibhausgasemissionseinsparungen in der Grössenordnung von 75 bis 100 Mio. t CO2eq bis 2035 ermöglichen würde, unter anderem durch die schnellere Dekarbonisierung des Verkehrs. Ohne das Stromgesetz wären die THG-Emissionen der Schweiz im Jahr 2035 voraussichtlich höher (32 bis 36 Mt CO2eq im Vergleich zum Ziel von unter 27.5 Mt CO2eq für 2030).
Der Verkehrssektor verursacht fast die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen einschliesslich internationalem Flugverkehr beziehungsweise einem Drittel ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr und ist deshalb ein Hauptverursacher von Emissionen in der Schweiz. Der Verkehr spielt eine zentrale Rolle bei den Anstrengungen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels.
Welches sind die Prioritäten der Dekarbonisierung bei Industrie, Verkehr und Haushalten?
Haushalte, Dienstleistungen und Gebäude (Gebäudesektor).
Der Gebäudesektor umfasste 2019 7.6 Millionen Tonnen CO2 (Mt CO2), was 18 % der gesamten CO2-Emissionen der Schweiz ausmachte (einschliesslich internationalem Flugverkehr). Zwischen 1990 und 2019 sanken die Emissionen in diesem Sektor um etwa 35 %. Ein Teil des Energiebedarfs im Dienstleistungssektor entfällt auf die Beheizung von Gebäuden.
Die Prioritäten sind deshalb:
- Reduktion des Energiebedarfs, insbesondere für Raumheizung (z.B. Absenkung der Raumtemperatur, Reduktion der beheizten Fläche, verstärkter Einsatz passiver Massnahmen wie Beschattung und natürliche Lüftung).
- Steigerung der Energieeffizienz, insbesondere durch umfassende Renovationen bestehender Gebäude. Die Sanierungsraten sind oft noch zu niedrig.
- Ersatz fossiler Brennstoffe (Öl, Gas) durch CO2-arme oder -freie Energiequellen. Dies beinhaltet insbesondere den verstärkten Einsatz von Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser.
- Nutzung erneuerbarer Wärmequellen wie Biomasse, Solarthermie, Geothermie oder Abwärme, idealerweise über Fernwärmenetze.
- Finanzielle Anreize für Renovationsinvestitionen und den Umstieg auf klimaschonende Heizungen.
- Anpassung von Vorschriften und Normen auf kantonaler/kommunaler Ebene zur Unterstützung der nationalen Ziele.
- Berücksichtigung der im Gebäude verkörperten CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus.
Verkehr.
Der Verkehrssektor war 2019 für 20,4 Mt CO2 verantwortlich, 48 % der gesamten CO2-Emissionen (einschliesslich internationalem Flugverkehr). Ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr verursacht der Verkehr einen Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz. Der motorisierte Individualverkehr (private Autos) hat mit rund drei Viertel den grössten Anteil an den inländischen Verkehrsemissionen.
Die Prioritäten sind deshalb:
- Eindämmung des Nachfrageanstiegs nach Mobilitätsdienstleistungen. Dies kann durch Smart Working (Home-Office), Smart Cities (15-Minuten-Stadt), intelligente Logistik und insbesondere durch Raumplanung unterstützt werden, die Distanzen reduziert und Siedlung und Verkehr abstimmt ("Politik der kurzen Wege").
- Verlagerung auf effizientere und emissionsärmere Verkehrsträger wie den öffentlichen Verkehr, Fuss- und Veloverkehr. Stärkung der Kapazität und Multimodalität des öffentlichen Verkehrs.
- Rasche Elektrifizierung des Strassenverkehrs (Personenwagen, Lieferwagen, Busse, potentially auch Güterverkehr).
- Steigerung der Effizienz des Antriebsstrangs und Verringerung des Fahrzeuggewichts.
- Umstellung auf CO2-arme oder -freie Energieträger für Anwendungen, die nicht elektrifiziert werden können oder nur schwer elektrifizierbar sind, wie z.B. Schwerlastverkehr (Wasserstoff, synthetische Stoffe) und insbesondere die Luftfahrt (nachhaltige Flugkraftstoffe SAF).
- Schaffung geeigneter Infrastrukturen (z.B. Ladeinfrastruktur für E-Mobilität).
- Berücksichtigung des Lebenszyklus von Fahrzeugen (Herstellung, Betrieb, Entsorgung).
- Anwendung des Verursacherprinzips bei der Bepreisung der Mobilität zur Förderung CO2-freierer und flächensparenderer Optionen.
Industrie.
Der Sektor Industrie war 2019 für 11.3 Mt CO2 verantwortlich (einschliesslich Abfallverbrennung und nichtenergetischer Nutzung), was rund einen Viertel (25 %) aller Treibhausgasemissionen ausmachte. Die Emissionen aus energetischer Nutzung in der Industrie betrugen 2019 4.7 Mt CO2. Die CO2-Emissionen aus Energenutzung sind zwischen 1990 und 2019 um etwa 30 % gesunken.
Die Prioritäten sind deshalb:
- Optimierung des Energieeinsatzes und konsequente Nutzung vorhandener Abwärme. Es gibt erhebliche Effizienzpotenziale, die nicht ausreichend ausgeschöpft werden.
- Ersatz des verbleibenden Energiebedarfs durch erneuerbare Energieträger. Dies beinhaltet den Ersatz fossiler Brennstoffe.
- Elektrifizierung von Industrieprozessen. Für Hochtemperaturprozesse werden erneuerbare chemische Energieträger benötigt (z.B. Wasserstoff, synthetisches Methan).
- Schliessung von Stoffkreisläufen und Recycling/Wiederverwendung von Materialien, um den Bedarf an Primärmaterialien und die damit verbundene Energie und Emissionen zu reduzieren. Die Kreislaufwirtschaft wird als zentraler Hebel gesehen, mit Potenzial zur Einsparung von 22 % der inländischen Emissionen.
- Abscheidung und dauerhafte Speicherung von Restemissionen (CCS/CCU) bei Prozessen, bei denen eine vollständige Vermeidung technologisch schwierig ist (z.B. Zementindustrie, bestimmte Hochtemperaturprozesse). Förderung von Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen.
- Entwicklung und Umsetzung von Dekarbonisierungsfahrplänen für Unternehmen und Branchen.
- Nutzung von Marktinstrumenten wie der CO2-Abgabe oder einem Emissionshandelssystem, um Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien zu schaffen.
Übergeordnete Prioritäten.
Übergeordnete Prioritäten, die alle Sektoren betreffen und die Dekarbonisierung ermöglichen:
- Massiver Ausbau der inländischen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, insbesondere Photovoltaik, aber auch Wind und Wasserkraft. Dies ist entscheidend, da die Elektrifizierung von Wärme und Verkehr den Strombedarf stark erhöhen wird.
- Anpassung und Ausbau der Stromnetze auf allen Spannungsebenen (Verteilnetze und Übertragungsnetz), um die dezentrale Einspeisung erneuerbarer Energien und den steigenden, variablen Strombedarf zu bewältigen. Raschere Bewilligungsverfahren für den Netzausbau sind notwendig.
- Ausbau von Speichertechnologien für Strom und Wärme auf verschiedenen Zeitskalen (Kurzzeit- und Langzeitspeicher, z.B. Batterien, Pumpspeicherkraftwerke, Power-to-Gas/H2).
- Stärkere Sektorkopplung, d.h. die enge Verknüpfung von Strom, Wärme, Verkehr und Industrie, um das Gesamtsystem zu optimieren und effizient zu gestalten.
- Ein wirksames und umfassendes Preissignal für CO2 (z.B. CO2-Abgabe, Emissionshandelssystem) ist ein zentrales Lenkungsinstrument, das in allen Sektoren greifen sollte. Die Rückerstattung der Einnahmen muss transparent und sozial ausgewogen gestaltet werden, um die Akzeptanz zu erhöhen.
- Klare und langfristige politische Rahmenbedingungen sowie Planungssicherheit sind für notwendige Investitionen in allen Sektoren unerlässlich. Es braucht einen sorgfältig konzipierten Mix verschiedener politischer Instrumente.
- Die gesellschaftliche Akzeptanz von Massnahmen und Verhaltensänderungen (z.B. beim Konsum und Mobilitätsverhalten) ist entscheidend.
- Internationale Koordination und Zusammenarbeit sind wichtig, insbesondere im Stromsektor (z.B. Dekarbonisierung des Stromsystems mit den Penta-Ländern bis 2035). Auch die Beschaffung von Rohstoffen für neue Technologien erfordert internationale Strategien.
- Nutzung der Digitalisierung zur Effizienzsteigerung und für das Management des komplexeren Energiesystems (Smart Grids), aber unter Berücksichtigung des eigenen Energiebedarfs der Digitalisierung.
- Förderung von Innovation und Forschung, insbesondere in Bereichen, wo CO2-arme technische Lösungen fehlen.
Schwer zu dekarbonisierende Sektoren wie Langstreckentransport, Luftfahrt, Hochtemperaturanwendungen.
Insbesondere die letzten 10 bis 20 % der Emissionsreduktion stellen die grösste technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Herausforderung dar. Bestimmte Sektoren sind technisch und wirtschaftlich nur sehr schwer oder nur zu sehr hohen Kosten vollständig zu dekarbonisieren. Dazu gehören insbesondere der Langstreckenverkehr (Schwerlastverkehr auf der Strasse, Schifffahrt), die Luftfahrt (sowohl national als auch international, letztere macht in der Schweiz rund 13% der CO2-Emissionen aus den ausgehenden Flügen aus) und bestimmte Hochtemperaturanwendungen in der Industrie (wie die Zementindustrie oder industrielle Hochtemperaturprozesse).
Spezifische Lösungen für hartnäckige Emissionen gibt es aus den Bereichen synthetische Kraftstoffe, Biomasse und Negative Emissionstechnologien. Für diese Sektoren, bei denen eine direkte Elektrifizierung aktuell oder absehbar nicht oder nur schwer im erforderlichen Umfang möglich ist, sind alternative Lösungen unerlässlich.
Synthetische Kraftstoffe (Power-to-X).
Synthetische Kraftstoffe, oft unter dem Begriff Power-to-X (PtX) zusammengefasst, ermöglichen die Herstellung von flüssigen und gasförmigen Brennstoffen aus Strom, beginnend mit Wasserstoff. Wenn dieser Wasserstoff mit recyceltem CO2 kombiniert wird, können Methanol, Kohlenwasserstoffe (wie synthetisches Kerosin) oder Ammoniak hergestellt werden. Diese E-Kraftstoffe sind notwendig, um die Anforderungen an eine sehr hohe Energiedichte im Schwerlast- und Langstreckentransport (LKW, Schiffe, Luftfahrt) sowie eine zuverlässige, gleichmässige Energieversorgung für industrielle Prozesse zu erfüllen. PtX kann auch die beschriebene saisonale Energiespeicherung ermöglichen.
Die Herstellung dieser "Null-CO2"-Treibstoffe erfordert Netto-Null-CO2-Elektrizität für ihre Produktion. Die Schweiz wird voraussichtlich grosse Mengen dieser erneuerbaren synthetischen Brennstoffe importieren müssen, da die inländische Produktion wahrscheinlich begrenzt sein wird, hauptsächlich auf Wasserstoff. Eine Massenproduktion von E-Treibstoffen ist nur als Teil einer internationalen Strategie möglich. Die Technologien, Märkte und politischen Instrumente für ein weltweites System zur Versorgung mit CO2-freien Kraftstoffen stecken noch in den Kinderschuhen. Für die Herstellung von synthetischen Kohlenwasserstoffen (wie CH4 oder flüssige Kraftstoffe) ist eine CO2-Quelle zentral. Diese muss aus der Atmosphäre, einer biogenen Quelle oder als Doppelnutzung aus nicht erneuerbaren Quellen mit Abscheidung stammen. Die Abscheidung aus der Luft ist technisch möglich (DACCS), aber teuer und der technische Reifegrad ist noch gering. Die Wirtschaftlichkeit von PtX-Anlagen wird durch Preiskomponenten wie Netzentgelte und Steuern beeinträchtigt. Akteure fordern eine Befreiung von Netzentgelten für systemstabilisierend eingespeicherten Strom. Der Ausbau solcher Speicher wird durch Ungleichbehandlung gehemmt. Es ist eine erhebliche Mobilisierung von Finanzmitteln und ein geeigneter "geopolitischer" Rahmen für Versorgungssicherheit und Diversifizierung der Quellen erforderlich.
Biomasse und Biokraftstoffe.
Rolle und Anwendung: Vorhandene heimische und importierte nachhaltige Biomasse soll als Energieträger für Anwendungen mit hohem Exergiegehalt erhalten bleiben. Dazu gehören Industriewärme, Strom-/Wärmeerzeugung im Winter und der Langstreckenverkehr, insbesondere die Luftfahrt. Drop-in-Kraftstoffe aus Biomasse können für den Langstreckenverkehr (insbesondere Luftfahrt) entwickelt und gefördert werden. Biomethan oder synthetisches Erdgas (SNG) kann in WKK-Anlagen verwendet werden.
Die potenzielle Menge an Biomasse wird nicht ausreichen, um den gesamten Bedarf an chemischen Energieträgern zu decken. Es gibt auch eine Debatte über die Klimaneutralität der Verbrennung holzartiger Biomasse.
CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS).
Notwendigkeit in der Industrie: Für emissionsintensive Industrien (z.B. Zementindustrie) ist die Einführung von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) oder ähnlichen Technologien eine erforderliche Massnahme.
Ergänzung bei Energieerzeugung: CCS kann auch bei der Verbrennung von nicht-biogenen Abfällen oder fossilen Brennstoffen in Übergangsphasen angewendet werden, um die entstehenden Emissionen zu verhindern.
Umsetzung: Es bedarf einer Strategie für den Einsatz von CO2 aus CCS, einschliesslich Transport und Speicherung von Kohlenstoff. Die CO2-Speicherung in der Schweiz selbst stellt jedoch eine Herausforderung dar.
Negative Emissionstechnologien (NET).
Zweck: NETs sind höchstwahrscheinlich unvermeidlich, um die verbleibenden Lücken bei den Restemissionen zu schliessen, die nicht vollständig vermieden werden können. Sie zielen darauf ab, die CO2-Konzentration in der Umgebungsluft zu verringern.
Wichtige Optionen: Dazu gehören die direkte CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft und deren dauerhafte Speicherung im Untergrund (Direct Air Carbon Capture and Storage, DACCS) sowie Bioenergie mit CCS (BECCS).
NETs sind derzeit noch nicht ausgereift, bergen Risiken, sind kostspielig und erfordern erhebliche neue Infrastrukturen, Investitionen und internationale Zusammenarbeit. Sie müssen mit kohlenstoffarmer Energie betrieben werden, um ihre Effizienz zu maximieren. Es gibt erhebliche sozioökonomische Auswirkungen, Governance-Fragen und Akzeptanzhürden. NETs sollten nur als "letztes Mittel" und zur Kompensation von Restemissionen aus schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden, sie können die anderen Massnahmen zur Emissionsvermeidung (die "5E" des Dekarbonisierungskonzepts: Energiedienstleistungen reduzieren, Effizienz steigern, Erneuerbare ersetzen, Materialien wiederverwenden) nicht ersetzen. Die Schweiz ist zwar in der Entwicklung von DACCS-Technologien führend, muss aber auch die Herausforderungen internationaler negativer Emissionen und CO2-Speicherung analysieren. Es braucht attraktivere Bedingungen für die CO2-Entfernung, um die Skalierung dieser Industrie zu fördern.
Die Dekarbonisierung dieser schwer zugänglichen Sektoren erfordert einen kombinierten Ansatz:
- Massiver Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion, um den Strom für PtX-Prozesse zu liefern.
- Entwicklung und Kommerzialisierung von Technologien für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff.
- Aufbau der notwendigen Infrastruktur für Produktion, Transport und Verteilung von Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen.
- Anwendung von CCS in industriellen Prozessen und gegebenenfalls bei der thermischen Energieerzeugung.
- Weiterentwicklung und Skalierung von Negative Emissionstechnologien für unvermeidbare Restemissionen.
- Politische und regulatorische Anpassungen zur Schaffung von Anreizen und zur Beseitigung von Hürden (z.B. Netzentgelte für Speicher, Infrastruktur für erneuerbare Gase).
- Internationale Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Versorgung mit erneuerbarem Strom, Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen sowie für die Etablierung von NETs und CO2-Transport/-Speicherung.
- Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der technologische Innovationen, politische Massnahmen, Investitionen und eine breite gesellschaftliche Akzeptanz umfasst.
Welche Prioritäten ergeben sich für das Schweizer Stromnetz?
Massiver Ausbau der Netzkapazitäten auf allen Ebenen.
Die Elektrifizierung von Wärme (Wärmepumpen), Verkehr (Elektrofahrzeuge) und industriellen Prozessen führt zu einer stark erhöhten Stromnachfrage, die das Netz transportieren muss. Dies erfordert erhebliche Investitionen in die Verstärkung und den Ausbau der Netzinfrastruktur, insbesondere in den lokalen und regionalen Verteilnetzen (z.B. Niederspannungsnetze, Netzebene 7), aber auch im Übertragungsnetz. Swissgrid hat 31 Projekte im Übertragungsnetz bis 2040 identifiziert.
Integration dezentraler und volatiler erneuerbarer Energien.
Die Dekarbonisierung erfordert einen massiven Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung, insbesondere Photovoltaik, aber auch Wind und Wasserkraft. Diese Anlagen sind oft dezentral (z.B. PV auf Dächern) und ihre Produktion schwankt stark (Sonne, Wind). Das Netz muss so umgebaut und gesteuert werden, dass es die bidirektionalen Energieflüsse (von Verbrauchern zu Produzenten) und die Schwankungen zwischen Produktion und Verbrauch bewältigen kann.
Digitalisierung des Netzes (Smart Grids).
Um die zunehmende Komplexität und Dynamik des Energiesystems zu managen, ist eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung des Netzes notwendig. Intelligente Netze (Smart Grids) helfen, Angebot, Speicherung und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und ermöglichen ein aktives Eingreifen zur Laststeuerung. Es braucht aber sowohl Digitalisierung als auch physischen Netzausbau.
Ausbau von Speichertechnologien.
Angesichts der Schwankungen bei der erneuerbaren Stromerzeugung sind Speicherlösungen auf verschiedenen Zeitskalen erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies umfasst Kurzzeitspeicher (z.B. Batterien) und Langzeit-/Saisonspeicher (z.B. Pumpspeicherkraftwerke, Power-to-Gas für Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe).
Stärkung der Sektorkopplung.
Die engere Verknüpfung der Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie ist ein Schlüsselelement, um das gesamte Energiesystem zu optimieren und effizienter zu gestalten. Dies ermöglicht Flexibilität und die Nutzung von Synergien, die vom Stromnetz unterstützt werden müssen.
Integration in den europäischen Strommarkt.
Das Schweizer Netz ist eng mit dem europäischen Verbundnetz verbunden. Eine langfristige und zuverlässige Integration in den europäischen Strommarkt ist entscheidend für die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter, und für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage über Ländergrenzen hinweg. Dies erfordert funktionierende politische Kooperationen und Abkommen.
Beschleunigung von Bewilligungsverfahren.
Der notwendige Aus- und Umbau des Stromnetzes, sowie potenziell der Bau von Erzeugungsanlagen und Speichern, wird durch langwierige Bewilligungsverfahren behindert. Eine Beschleunigung dieser Verfahren ist eine wichtige Priorität, um das Tempo der Transformation zu gewährleisten.
Management von Spitzenlasten.
Die zunehmende Elektrifizierung von Wärme und Verkehr, insbesondere in Kälteperioden oder zu bestimmten Tageszeiten (z.B. abendliches Aufladen von Elektroautos), kann zu neuen und höheren Spitzenlasten im Netz führen, die bewältigt werden müssen. Strategien zur Laststeuerung sind hierbei wichtig.
Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus der Sektorkopplung des zukünftigen Energiesystems?
Die Sektorkopplung umfasst unter anderem die Elektrifizierung von Endverbrauchssektoren und die Umwandlung erneuerbarer Energieträger ineinander sowie deren Verwendung in verschiedenen Sektoren. Dies bietet weitere Möglichkeiten für eine erneuerbare Energieversorgung und trägt zu mehr Effizienz und Flexibilität bei. Aus der Sektorkopplung ergeben sich sowohl erhebliche Herausforderungen als auch Chancen.
Herausforderungen der Sektorkopplung:
Zunehmende Komplexität des Gesamtsystems: Die Sektorkopplung wird die Komplexität des Energiesystems und die Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren (kommerzielle, öffentliche, private) erheblich steigern.
Transformation der Infrastruktur: Es sind hohe Investitionen in neue oder umgewidmete Infrastrukturen erforderlich. Der Umbau des Stromnetzes ist zentral, da es zum Nervensystem der Dekarbonisierung wird und sich stark verändernden Anforderungen stellen muss. Der Ausbau, die Verstärkung und die Digitalisierung des Stromnetzes sind notwendig, um mit dem starken Zuwachs von dezentralen Erzeugern (wie Solaranlagen) und dem steigenden Verbrauch durch Elektrifizierung (Wärmepumpen, Elektroautos) Schritt zu halten. Dies betrifft insbesondere die Verteilnetze auf der Niederspannungsebene.
Hohe Investitionskosten und Unsicherheit: Die Investitionen in neue Energieinfrastrukturen werden voraussichtlich sehr hoch sein, und der konkrete Übergangspfad ist weitgehend unbekannt. Politische Rahmenbedingungen sind entscheidend, begegnen aber oft Hürden wie der langwierigen Standortsuche für neue Infrastruktur.
Technologische Entwicklung und Kommerzialisierung: Technologien wie Elektrolyseure, Methanisierungskraftwerke, Raffinerien für synthetische Kraftstoffe, CO2-Kreislauf-Management und gross-technische Brennstoffzellen müssen zur Reife gebracht und kommerzialisiert werden. Technologien für negative Emissionen (NET) wie DACCS sind technisch noch nicht sehr ausgereift.
Zeitlicher Rahmen: 30 Jahre (bis 2050) sind eine äusserst kurze Zeitspanne für die notwendige und beispiellose Erneuerung des Schweizer Energiesystems.
Koordination und Interessenausgleich: Sektorkopplung erfordert eine enge Koordination zwischen Sektoren (z.B. Elektrizitäts- und Brennstoffindustrie) und kann zu einer erheblichen Umverteilung von Einnahmen und Marktanteilen zwischen "Gewinnern" und "Verlierern" führen.
Regulatorische Anpassungen: Eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung ist notwendig, was eine Abstimmung der einschlägigen Gesetzgebungen auf Bundesebene sowie der kantonalen Vorschriften bedingt
Eine vollständige Internalisierung der externen CO2-Kosten und eine äquivalente CO2-Bepreisung aller Sektoren wird als notwendig erachtet.
Versorgungssicherheit im Winter: Ein System mit viel intermittierender Erzeugung (Sonne, Wind) stellt die Herausforderung, Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich abzustimmen. Die saisonale Speicherung von Sommer- zu Winterstrom ist eine grosse Herausforderung. Die Abhängigkeit von Importen, insbesondere im Winter, bleibt bestehen und erfordert eine gute Integration in den europäischen Markt, die jedoch politischen und regulatorischen Unsicherheiten unterliegt.
Restemissionen und NET: Für schwer zu dekarbonisierende Sektoren (Langstreckentransport, Luftfahrt, Hochtemperaturanwendungen) sind Bio- oder synthetische Kraftstoffe sowie negative Emissionstechnologien (NET) für Restemissionen notwendig. Der Einsatz von NET bringt Herausforderungen hinsichtlich öffentlicher Akzeptanz, Governance, Finanzierung und technologischer Reife mit sich.
Akzeptanz und Sozioökonomische Auswirkungen: Der Übergang erfordert möglicherweise ein grundlegendes Überdenken unserer Lebensweise und gesellschaftlicher Organisation. Der Wandel kann zu gestrandeten Vermögenswerten führen und negative sozioökonomische Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Beschäftigung haben. Die öffentliche Akzeptanz für neue Technologien und Infrastrukturen (z.B. Tiefengeothermie, Kernkraftwerke, NET, Netzausbau) ist begrenzt oder unsicher. Einkommensschwache Haushalte könnten benachteiligt sein, wenn sie sich den Technologiewechsel nicht leisten können.
Chancen der Sektorkopplung:
Dekarbonisierung und Erreichung des Netto-Null-Ziels: Sektorkopplung ist ein entscheidender Hebel zur Bereitstellung der benötigten Stromproduktion für die Dekarbonisierung des Energiesystems. Die Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren (Gebäude, Verkehr, Industrie) durch Strom, der idealerweise zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt, ist ein Hauptweg.
Effizienz und Flexibilität: Sektorkopplung trägt zu mehr Effizienz und Flexibilität im Gesamtsystem bei. Sie ermöglicht die flexible Steuerung von Erzeugung und Verbrauch und kann zur Optimierung der Gesamtenergieversorgung beitragen.
Nutzung synthetischer Kraftstoffe und Speicher: Sektorkopplung ermöglicht die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen, die mit CO2-freiem Strom erzeugt werden können, zur Deckung des Bedarfs in schwer zu elektrifizierenden Bereichen (Luftfahrt, Langstreckentransport, Hochtemperaturanwendungen). Sie ermöglicht auch die langfristige Speicherung von Energie (saisonal) durch diese Kraftstoffe. Der Ausbau von Speicherkapazitäten, insbesondere saisonaler Speicher, wird durch Sektorkopplung unterstützt.
Innovation und neue Geschäftsmodelle: Der Umbau des Energiesystems und die Sektorkopplung fördern technologische Innovationen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Der Stromsektor hat die Chance, die Energiezukunft aktiv mitzugestalten.
Stärkung der Versorgungssicherheit: Durch den Ausbau der heimischen erneuerbaren Produktion (ermöglicht durch den Ausbau der Infrastruktur im Rahmen der Sektorkopplung) und die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Importen wird die inländische Versorgungssicherheit erhöht. Eine dezentralisierte Strominfrastruktur, die Teil der Sektorkopplung ist, kann weniger schadensanfällig sein als die Versorgung mit fossilen Energieträgern.
Integration in europäische Energiesysteme: Eine starke Systemintegration über Landesgrenzen hinweg kann die Versorgungssicherheit verbessern und Effizienz steigern, indem Synergien zwischen unterschiedlichen nationalen Ressourcen genutzt werden.
Wirtschaftliche Chancen: Neue Märkte, z.B. im Bereich der CO2-Entnahme oder im Ausbau der Netzinfrastruktur, bieten Schweizer Unternehmen die Möglichkeit, eine Führungsrolle zu übernehmen.
Vorteile der Digitalisierung und Smart Grids: Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht eine bessere Vernetzung, Abstimmung und Steuerung von Verbrauch, Erzeugung und Speicherung (Smart Grids). Flexible Steuerung auf der Verbraucherseite kann Netzbeschränkungen vermeiden. Die Bündelung dezentraler Ressourcen kann den Netzbetrieb unterstützen und neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen.
Die Sektorkopplung ist eine notwendige, aber komplexe Transformation, die erhebliche Investitionen, technologische Entwicklungen und regulatorische Anpassungen erfordert, aber gleichzeitig wesentliche Chancen für die Dekarbonisierung, Effizienzsteigerung, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Innovation bietet.
Welche politischen Massnahmen sind entscheidend, um die Transformation des Energiesystems erfolgreich zu gestalten?
Viele politische Massnahmen sind entscheidend, um die Transformation des Schweizer Energiesystems erfolgreich zu gestalten und das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Die derzeit umgesetzten Massnahmen reichen nicht aus und eine starke Beschleunigung ist erforderlich. Die wichtigsten politischen Massnahmen sind.
Schaffung eines kohärenten, langfristigen und berechenbaren politischen Rahmens.
Es fehlt derzeit eine kohärente langfristige Dekarbonisierungsstrategie über alle Sektoren hinweg. Langfristige, vorhersehbare (Zwischen-)Ziele mit spezifischen Zielen und Meilensteinen für verschiedene Sektoren sind erforderlich, um Planungssicherheit für Investoren und die Wirtschaft zu schaffen. Politische Rahmenbedingungen sind die entscheidende Triebkraft für den Wandel.
Massiver Ausbau der inländischen erneuerbaren Stromproduktion.
Dies ist ein zentrales Anliegen und ein entscheidender Hebel für die Dekarbonisierung. Das Stromgesetz (Mantelerlass) wird als wesentliche Vorlage betrachtet, um die notwendige Stromproduktion für die Dekarbonisierung bereitzustellen. Politische Rahmenbedingungen sind erforderlich, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Investitionen zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Prüfung einer Solarobligation für geeignete Gebäude und die Schaffung von Anreizen für Kantone zum Ausbau von PV und Windkraft.
Anpassung und Beschleunigung des Netzausbaus auf allen Ebenen.
Das Stromnetz wird zum Rückgrat der Dekarbonisierung. Es muss physikalisch massiv ausgebaut und digitalisiert werden, um mit der dezentralen Erzeugung (viele neue Solaranlagen, insbesondere auf der Niederspannungsebene) und dem steigenden Verbrauch (E-Autos, Wärmepumpen) zurechtzukommen. Raschere Bewilligungsverfahren sind auf allen Netzebenen erforderlich, nicht nur auf der Höchstspannungsebene, wo der Fokus der Politik oft liegt.
Förderung von Sektorkopplung und Effizienz.
Die Sektorkopplung ist ein Schlüsselelement. Eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung ist notwendig, einschliesslich einer vollständigen Internalisierung der externen CO2-Kosten und einer äquivalenten CO2-Bepreisung aller Sektoren. Die Effizienzsteigerung ist eine Schlüsselkomponente. Politische Massnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs sollten Verhaltensänderungen durch Information, soziale Normen und gemeinsames Zielsetzen unterstützen.
Schaffung wirtschaftlicher Anreize und Abbau von Hürden.
Ein Mix aus Lenkungsinstrumenten (wie CO2-Abgabe) und Subventionen ist notwendig. Eine Erhöhung der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe kann wirksam sein, muss aber sorgfältig gestaltet werden (Kompensationsmechanismen). Anreize für energiesparende Renovationen, insbesondere bei Mietwohnungen, sind wichtig. Die Anpassung der Preis-/Tarifgestaltung im Stromnetz kann die sich ändernde Rolle der Netzversorgung berücksichtigen. Politische Hürden wie langwierige Standortsuche für Infrastrukturen müssen angegangen werden.
Internationale Koordination und Integration.
Eine langfristige Integration in den europäischen Strommarkt ist entscheidend für die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter. Dies ist primär eine politische Herausforderung. Enge Zusammenarbeit mit der europäischen Politik, z.B. bei Wasserstoffstrategien, ist notwendig. Eine langfristige Strategie für den internationalen Bezug von CO2-armer Elektrizität und synthetischen Kraftstoffen ist erforderlich.
Förderung von Akzeptanz und Einbezug der Öffentlichkeit.
Die öffentliche Akzeptanz ist entscheidend für den Erfolg von Massnahmen, insbesondere in der direkten Demokratie der Schweiz. Dies erfordert Dialog, Wissensgenerierung, Bildung, Kommunikation und die frühzeitige Einbindung von Interessengruppen und der Öffentlichkeit bei der Planung von Infrastrukturen. Auch sozioökonomische Fragen, wie die gerechte Verteilung der Lasten und die Unterstützung von Arbeitnehmern in rückläufigen Sektoren, müssen berücksichtigt werden.
Unterstützung von Forschung, Entwicklung und Innovation.
Technologische Innovationen sind notwendig. Politische Massnahmen sollten die Entwicklung und Verbreitung kohlenstoffarmer Alternativen unterstützen. Neue Finanzierungssysteme können die Entwicklung neuer Technologien fördern. Auch Technologien für negative Emissionen (NET), obwohl nur als Sicherheitsnetz für Restemissionen gedacht, benötigen politische Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung und Kommerzialisierung.
Sektorübergreifende regulatorische Anpassungen.
Eine äquivalente Regulierung ist notwendig, was eine Abstimmung der einschlägigen Gesetzgebungen auf Bundesebene sowie der kantonalen Vorschriften bedingt. Das Regulierungs-Wirrwarr muss entflechtet werden.
Die Umsetzung der Sektorkopplung führt zu einer erheblichen Steigerung der Komplexität des Gesamtsystems und der Interaktionen zwischen den Akteuren. Bisher eher getrennte Sektoren wie die Elektrizitäts- und die Brennstoffindustrie müssen eng koordiniert werden. Dies führt zu Umverteilungen von Einnahmen und Marktanteilen, was die Übergänge sehr umstritten macht. Stakeholder haben oft widersprüchliche Wertvorstellungen, und etablierte Unternehmen können versuchen, politische Prozesse zu beeinflussen, um ihre Geschäftsmodelle zu schützen. Eine zentrale Hürde für die erfolgreiche Sektorkopplung liegt in den regulatorischen Rahmenbedingungen. Um das volle Potenzial der Sektorkopplung auszuschöpfen, ist eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung notwendig. Das bedeutet eine Abstimmung der einschlägigen Gesetzgebungen auf Bundesebene sowie der kantonalen Vorschriften. Die Energiepolitik muss in die Gesamtpolitik eingebettet sein und Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen berücksichtigen.
Fragmentierte Politik und widersprüchliche Regeln.
Die aktuelle Situation ist von fragmentierter und teilweise inkohärenter Politik auf regionaler (kantonaler), nationaler und internationaler Ebene geprägt. Dies betrifft verschiedene Bereiche:
- Im Gebäudesektor ist die Regulierung hauptsächlich auf kantonaler und kommunaler Ebene angesiedelt, was die Koordination erschwert. Vorschriften und Normen auf dieser Ebene können im Widerspruch zu nationalen Zielen stehen.
- Bei privaten PV-Dachanlagen gibt es einen Flickenteppich unterschiedlicher Vorgaben auf kommunaler und kantonaler Ebene bezüglich Baugenehmigungen, Steuern, Subventionen und Einspeisetarifen, was die Rentabilität stark variieren lässt.
- Standards und Normen, auch wenn sie oft besser akzeptiert werden als Abgaben, gehen nur einen Teil des Problems an und können aus wirtschaftlicher Sicht höhere Kosten für die Gesellschaft verursachen als marktorientierte Instrumente.
- Diese mangelnde Konsistenz und Kohärenz sowie das Fehlen konsistenter langfristiger politischer Signale schaffen Unsicherheiten und behindern notwendige Investitionen.
Wie kann eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung umgesetzt werden?
Schaffung eines kohärenten und langfristigen politischen Rahmens. Die Politik muss die entscheidende Triebkraft für den Wandel sein. Es braucht ein kohärentes, flexibles Portfolio von Massnahmen, das in eine langfristige Strategie eingebettet ist. Die Formulierung langfristiger, vorhersehbarer (Zwischen-)Ziele mit spezifischen Zielen und Meilensteinen für verschiedene Sektoren ist dabei zentral, um Planungssicherheit für Investoren und Unternehmen zu schaffen.
Sektorübergreifend äquivalente CO2-Bepreisung und Internalisierung externer Kosten.
Eine der wichtigsten Massnahmen ist die vollständige Internalisierung der externen CO2-Kosten und eine äquivalente CO2-Bepreisung aller Sektoren. Ein vorhersehbar steigender CO2-Preis wird als wirksames Lenkungsinstrument gesehen. Wichtig ist dabei eine transparente Rückerstattung der Einnahmen an die Gesellschaft, um die Akzeptanz zu erhöhen und fairen Zugang zu Energiedienstleistungen sowie eine gerechte Verteilung der Lasten zu gewährleisten.
Integrierte Planung und beschleunigte, vereinheitlichte Bewilligungsverfahren.
Die Verknüpfung der Sektoren erfordert neue oder angepasste Infrastrukturen (z.B. Netze, Trafostationen, Speicher). Die Planung von Produktionsanlagen und Netzen muss in einem abgestimmten Verfahren erfolgen. Es ist notwendig, die Bewilligungsverfahren für Produktionsanlagen und die dazugehörige Netzinfrastruktur zu parallelisieren und zu vereinheitlichen, da diese oft länger dauern als für die Produktionsanlagen selbst. Eine regulatorische Vereinfachung und Vereinheitlichung zwischen Kantonen und Kommunen wird dringend empfohlen.
Anpassung der Politik an sektorale Gegebenheiten und Übergangsphasen.
Die Politik muss an die spezifischen sektoralen Gegebenheiten und den Fortschritt des Übergangs angepasst werden. Es sollten flexible Instrumente eingesetzt werden, die sich an die jeweilige Phase anpassen. Dabei sollte das Prinzip "Normen gegenüber Technologievorgaben" bevorzugt werden, d.h., Emissionsgrenzwerte oder -normen sollten einem Verbot bestimmter Technologien vorgezogen werden. Bei der Festlegung von Normen sollten Lebenszyklusanalysen berücksichtigt werden.
Stärkere Integration in das europäische Energiesystem.
Die Energiesysteme sind international vernetzt,
insbesondere der Strommarkt. Eine stärkere Integration in das Strom- und
Energiesystem der EU ist entscheidend für die Versorgungssicherheit und die
Nutzung von Synergien. Dies erfordert den Abschluss eines Stromabkommens mit
der EU sowie die politische Mehrheit für eine vollständige Strommarktöffnung im
Inland.
Einbezug der Stakeholder und Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz.
Politische Massnahmen hängen stark von der Wahrnehmung und dem Feedback der verschiedenen Interessengruppen und der Gesellschaft ab. Ein engagierter Dialog und Kommunikation mit den wichtigsten Interessengruppen sowie der breiten Bevölkerung ist notwendig, um einen gesellschaftlichen Konsens für den Übergang zu fördern. Auch soziale Gerechtigkeitsfragen müssen berücksichtigt werden. Im direktdemokratischen Kontext der Schweiz ist ein expliziter Werte- und Präferenzwandel erforderlich, um politische Mehrheiten zu gewinnen.
Kontinuierliche Überwachung und Anpassung (Policy Learning).
Der Politik-Mix sollte kontinuierlich überwacht und angepasst werden. Die Komplexität des Übergangs erfordert die Bereitschaft, aus Erfahrungen zu lernen und die Strategien flexibel anzupassen.
Die regulatorische Anpassung für eine erfolgreiche Sektorkopplung ist eine vielschichtige Aufgabe, die weit über die Energiegesetzgebung im engeren Sinne hinausgeht. Sie erfordert eine grundlegende Abstimmung zwischen Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, eine Integration der Energiepolitik in andere Politikbereiche und eine konsequente internationale Koordination. Gelingt es, einen kohärenten, langfristigen und sektorübergreifend äquivalenten politischen Rahmen zu schaffen, der die Notwendigkeit des Wandels, die verschiedenen Interessen und die technischen Erfordernisse berücksichtigt, dann kann das enorme Potenzial der Sektorkopplung für ein dekarbonisiertes Energiesystem realisiert werden. Es ist eine primär politische und gesellschaftliche Herausforderung, die durch Dialog, Wissen und die Bereitschaft zum Kompromiss gemeistert werden muss.
Versorgungssicherheit im Winter.
Ein System mit viel intermittierender Erzeugung (Sonne, Wind) stellt die Herausforderung, Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich abzustimmen. Das Energiesystem der Zukunft wird sich grundlegend wandeln. Es wird stärker elektrifiziert sein, insbesondere im Wärme- und Verkehrssektor. Gleichzeitig wird ein Grossteil der Stromerzeugung aus variablen Quellen stammen. Dies führt zu zeitlichen und räumlichen Asymmetrien zwischen Produktion und Konsum. Die grosse Herausforderung besteht darin, Angebot und Nachfrage jederzeit und überall aufeinander abzustimmen.
Die Schweiz ist heute schon im Winter Nettoimporteur von Strom. Der Ausbau von PV und Wärmepumpen wird diesen winterlichen Importbedarf voraussichtlich noch erhöhen. Wie kann dieser Balanceakt in Zukunft gelingen? Es bedarf eines Mixes aus Massnahmen, die gleichzeitig angegangen werden müssen.
Ausbau und intelligentes Management der Infrastruktur (Netze und Speicher).
Das Stromnetz als Rückgrat: Das Stromnetz wird zum entscheidenden Element und Nervensystem der Dekarbonisierung. Es muss massiv aus- und umgebaut werden, um dezentrale Produktion und steigenden Konsum zu handhaben.
Koordinierte Planung: Netz- und Anlagenplanung müssen eng aufeinander abgestimmt erfolgen.
Intelligente Netze (Smart Grids): Diese helfen, Erzeugung, Speicherung und Verbrauch besser zu koordinieren. Sie ermöglichen flexibles Nachfragemanagement.
Speicher als Puffer: Energiespeicher sind unerlässlich, um die Lücke zwischen Produktion und Verbrauch zu überbrücken.
Kurzfristspeicher: Pumpspeicherkraftwerke und stationäre Batterien (z.B. Lithium-Ionen) sind wichtig für den Ausgleich von Schwankungen über Stunden oder einen Tag. Die Kosten für Batterien sind gesunken, was sie wirtschaftlich attraktiv macht.
Langfristspeicher (Saisonal): Dies ist die grösste Herausforderung, um Energie vom Sommer in den Winter zu verschieben. Pumpspeicherkraftwerke können dies begrenzt leisten. Langfristige chemische Speicherung (Power-to-X) wird als einzige Technologie betrachtet, die derzeit diese Anforderung im notwendigen Umfang erfüllen kann.
Power-to-X (PtX): Die Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder synthetische Brennstoffe ermöglicht die saisonale Speicherung grosser Strommengen und kann das erwartete saisonale Ungleichgewicht ausgleichen. Diese Brennstoffe sind auch wichtig für Sektoren, die schwer zu elektrifizieren sind (Schwerlast-/Langstreckentransport, Industrie). Die Wirtschaftlichkeit von PtX-Anlagen wird jedoch durch Preiskomponenten wie Netzentgelte und Steuern beeinflusst. Akteure fordern daher eine Befreiung von Netzentgelten für systemstabilisierend eingespeicherten Strom. Es gibt auch Herausforderungen bei der CO2-Quelle für synthetische Brennstoffe.
Thermische Speicher: Kurzzeitige Wärmespeicher sind ein zentraler Baustein für die Sektorkopplung. Saisonale Wärmespeicher können überschüssige Sommerwärme speichern und im Winter für Heizzwecke nutzen, was den Strombedarf für Wärmepumpen reduziert. Anreize zur Förderung saisonaler Wärmespeicher sind erforderlich.
Regulatorische Hürden für Speicher: Der Ausbau verschiedener Speicher wird durch die Ungleichbehandlung bei Netzentgelten (im Vergleich zu Pumpspeichern) gehemmt.
Stärkung der heimischen Winterproduktion.
Fokus auf Wintertechnologien: Neben dem Ausbau von PV generell müssen Technologien gefördert werden, die besonders im Winter Strom liefern oder Bedarf senken.
Alpine Photovoltaik (PV): Diese hat bessere Winterproduktionseigenschaften als Anlagen im Mittelland und ein grosses Potenzial, auch wenn die Auswirkungen auf die Natur und die gesellschaftliche Akzeptanz grosser Anlagen diskutiert werden. Ein Kompromiss könnte der Bau in der Nähe bestehender Infrastruktur sein.
Windenergie: Trägt ebenfalls zur Wintererzeugung bei. Allerdings sind Bewilligungsverfahren langwierig und die Wirtschaftlichkeit kann geringer sein als anderswo in Europa. Die Akzeptanz der Bevölkerung kann steigen, wenn Anwohner beteiligt werden.
Wasserkraft: Bleibt ein wichtiger saisonaler Speicher und flexible Produktionsquelle. Der Erhalt der bestehenden Wasserkraft ist entscheidend. Winterliche Wasserkraftreserven sind eine Massnahme.
Geothermie: Tiefe Geothermie hat Grundlastfähigkeit und ist gut für die Wintererzeugung geeignet. Allerdings gibt es Bedenken hinsichtlich seismischer Risiken und gesellschaftlicher Akzeptanz.
Kernenergie: Bestehende Kernkraftwerke tragen zur Versorgungssicherheit im Winter bei. Neue Reaktoren sind aufgrund von Kosten, Bauzeit und fehlenden politischen Rahmenbedingungen kaum vor 2050 realistisch, aber die Option wird diskutiert.
Übersicht alpine Solaranlagen Schweiz.
Portraits alpine Solaranlagen.
Pumpspeicherstauseen in der Schweiz.
Optimierung über den internationalen Energiehandel.
Integration in das europäische System: Ein uneingeschränkter Zugang zum europäischen Strommarkt ist zentral für die Versorgungssicherheit und die Nutzung von Synergien. Ein grösseres, über Wettergrenzen (ca. 500 km) hinausgehendes System kann Schwankungen besser ausgleichen und den Speicherbedarf reduzieren.
Politisches Abkommen nötig: Die Integration hängt massgeblich vom Abschluss eines Stromabkommens mit der EU ab. Ohne ein solches Abkommen kann die Schweiz bei der Nutzung grenzüberschreitender Kapazitäten benachteiligt werden (z.B. durch die EU-"70%-Regel").
Importe bleiben relevant: Auch mit massivem Inlandausbau werden Stromimporte im Winter wahrscheinlich weiterhin notwendig sein. Die Strommixe der Nachbarländer (mit mehr Wind oder Kernkraft) können den Schweizer Mix komplementieren.
Handel mit Energieträgern: Neben Strom ist auch der Import von Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen (u.a. für Langstreckentransport oder als Rückverstromung im Winter) relevant. Hierfür braucht es ebenfalls einen geregelten Zugang zum zukünftigen europäischen Wasserstoffmarkt.
Nachfragemanagement und Flexibilisierung.
Verbrauch an Angebot anpassen: Es ist einfacher und günstiger, den Verbrauch anzupassen, als Strom zu speichern. Ziel ist es, Verbrauch in Zeiten hoher erneuerbarer Produktion zu verschieben (z.B. Laden von E-Autos oder Betrieb von Haushaltsgeräten tagsüber).
Flexible Tarife: Stromversorger können über flexible Stromtarife Anreize für netzdienliches Verhalten schaffen.
Vehicle-to-Grid (V2G): E-Autos können nicht nur laden, sondern bei Bedarf auch Strom ins Netz zurückspeisen, was die Netzbelastung reduziert.
Verhaltensänderungen: Auch wenn schwer beeinflussbar, ist die Bereitschaft der Endverbraucher zur Anpassung des Verbrauchs relevant.
Regulatorischer und politischer Rahmen.
Kohärenz schaffen: Die Umsetzung erfordert eine sektorübergreifend äquivalente Regulierung. Die Fragmentierung auf Bundes-, Kantons- und Kommunalebene (z.B. bei Gebäudevorschriften oder PV-Anlagen) muss überwunden werden. Eine regulatorische Vereinheitlichung wird dringend empfohlen.
Beschleunigte Verfahren: Bewilligungsverfahren für Anlagen und Netzinfrastruktur müssen beschleunigt und vereinheitlicht werden.
Marktdesign anpassen: Das Marktdesign muss Speicherkapazitäten und betriebliche Flexibilität vergüten. Ungleichbehandlungen bei Netzentgelten für verschiedene Speichertechnologien müssen behoben werden.
Gesellschaftliche Akzeptanz: Grosse Infrastrukturprojekte (PV, Wind, Speicher) erfordern gesellschaftliche Akzeptanz. Ein offener Dialog, Einbezug der Anwohner und Berücksichtigung von Kompromissen (z.B. bei Landschaftsschutz) sind entscheidend.
Langfristige Strategie: Es braucht einen klaren, langfristigen politischen Rahmen mit vorhersehbaren Zielen, um Investitionssicherheit zu schaffen. Die Energiepolitik ist primär eine politische und gesellschaftliche Herausforderung.
Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Winter in einem Energiesystem, das stark auf fluktuierenden erneuerbaren Energien basiert, ist ein komplexer Balanceakt. Technisch ist die Dekarbonisierung bei gleichzeitig hoher Versorgungssicherheit möglich. Sie erfordert jedoch einen massiven Ausbau und ein intelligentes Management der Netzinfrastruktur, eine Diversifizierung und den Ausbau von Speichertechnologien (insbesondere saisonale Speicher wie Power-to-X), eine Stärkung der heimischen Winterproduktion (alpine PV, Wind) sowie ein effizientes Nachfragemanagement. Entscheidend für die Umsetzung ist jedoch der politische und regulatorische Rahmen. Eine kohärente, sektorübergreifende Regulierung, beschleunigte Verfahren, ein an die neuen Gegebenheiten angepasstes Marktdesign und die langfristige, gesicherte Integration in den europäischen Energiemarkt durch politische Abkommen sind unerlässlich.Die Herausforderung liegt weniger in der technischen Machbarkeit als vielmehr in der politischen Entscheidungsfindung und der gesellschaftlichen Bereitschaft, die notwendigen Investitionen zu tätigen und die erforderlichen Infrastrukturen zu ermöglichen. Ein proaktiver Dialog und die Suche nach Kompromissen sind der Schlüssel, um diesen kritischen Übergang erfolgreich zu gestalten und die Lichter auch in kalten Winternächten brennen zu lassen.
Saisonale Speicherung von Sommer- zu Winterstrom.
Sommerüberschuss und erhöhter Winterbedarf bilden eine grosse Herausforderung im Energiesystem der Zukunft. Wie überbrücken wir das Ungleichgewicht zwischen reichlichem Angebot im Sommer und hohem Bedarf im Winter? Wie können wir die überschüssige Sommerenergie speichern und in den Winter übertragen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten? Dies erfordert langfristige Energiespeicherkapazitäten in erheblichem Umfang. Verschiedene Technologien und Massnahmen müssen zusammenspielen, um diese Herausforderung zu meistern.
Entwicklung und Einsatz geeigneter Speichertechnologien.
Kurzfristspeicher vs. Saisonalspeicher: Bestehende Speichertechnologien wie Pumpspeicherkraftwerke und Batterien sind wichtig für den Ausgleich von Schwankungen über Stunden oder Tage. Pumpspeicherkraftwerke sind zwar das wichtigste saisonale Speichermittel in der Schweiz und wichtig als flexible "Power-on-demand"-Anlagen, ihre nutzbare Speicherkapazität ist für den notwendigen Umfang der saisonalen Speicherung jedoch begrenzt. Batterien sind für die saisonale Speicherung zu teuer.
Chemische Langzeitspeicherung (Power-to-X).
Aus heutiger Sicht ist chemisch gespeicherte Energie die einzige Technologie, die die Anforderung der langfristigen/saisonalen Speicherung in erheblichem Umfang erfüllen kann. Power-to-X (PtX) wandelt Strom in Wasserstoff oder synthetische Kohlenwasserstoffe um. Dies ermöglicht die saisonale Speicherung grosser Strommengen und kann das erwartete saisonale Ungleichgewicht ausgleichen. Diese Brennstoffe sind zudem für Sektoren unerlässlich, die schwer zu elektrifizieren sind (z.B. Schwerlastverkehr, Luftfahrt, Industrie).
Saisonale Wärmespeicherung.
Eine wichtige Ergänzung ist die saisonale Speicherung von Wärme, z.B. durch unterirdische Speicherung überschüssiger Sommerwärme. Diese Wärme kann im Winter für Heizzwecke genutzt werden, was den Strombedarf für Wärmepumpen deutlich senkt und somit indirekt den Bedarf an elektrischer Saisonalspeicherung reduziert. Obwohl technisch reif oder kurz vor der Marktreife, haben sich diese Lösungen noch nicht flächendeckend durchgesetzt.
Weitere Speicherformen.
Gasspeicher (Biomethan, synthetisches Methan oder Wasserstoff) und die Lagerung von Abfällen in Kehrichtverbrennungsanlagen können ebenfalls zur winterlichen Energieversorgung beitragen.
Überwindung von Hürden für die Saisonalspeicherung.
Die Wirtschaftlichkeit von PtX-Anlagen wird durch Preiskomponenten wie Netzentgelte und Steuern beeinflusst. Akteure fordern eine Befreiung von Netzentgelten für systemstabilisierend eingespeicherten Strom, ähnlich wie bei Pumpspeichern. Es besteht auch die Herausforderung, genügend Volllaststunden für eine kostengünstige Wasserstoffproduktion zu erreichen.
CO2-Quelle für synthetische Brennstoffe.
Für die Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffe wird eine CO2-Quelle benötigt. Optionen wie die Abscheidung aus der Luft (DACCS) haben noch geringen technischen Reifegrad und gesellschaftliche Akzeptanzhürden. Der Transport von CO2 ins Ausland zur Speicherung (CCS) ist eine weitere Möglichkeit.
Importabhängigkeit.
Die Schweiz wird voraussichtlich grosse Mengen an erneuerbarem Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen importieren müssen.
Regulatorische Hürden.
Der Ausbau verschiedener Speicher wird durch die Ungleichbehandlung bei Netzentgelten im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken gehemmt. Es braucht Anreize für saisonale Wärmespeicherung und Infrastruktur für erneuerbare Gase.
Komplementäre Massnahmen zur Reduzierung des Speicherbedarfs.
Stärkung der heimischen Winterproduktion mit Technologien, die speziell im Winter Strom liefern, können den Bedarf an saisonaler Speicherung oder Importen verringern. Dazu gehören alpine Photovoltaik, die bessere Wintererträge als Anlagen im Mittelland erzielt, Windenergie und Geothermie. Auch der Erhalt der bestehenden Wasserkraft ist entscheidend.
Integration in den europäischen Energiemarkt.
Ein uneingeschränkter Zugang zum europäischen Strommarkt ist zentral. Ein grösseres System kann Schwankungen besser ausgleichen und den Speicherbedarf reduzieren. Die Schweiz wird im Winter wahrscheinlich weiterhin auf Importe angewiesen sein. Ein politisches Abkommen mit der EU ist dafür unerlässlich.
Nachfragemanagement und Flexibilisierung.
Die Anpassung des Verbrauchs an das Angebot kann Spitzenlasten reduzieren und den Speicherbedarf verringern. Flexible Tarife, intelligentes Laden von E-Autos und Vehicle-to-Grid (V2G) sind Beispiele dafür.
Energieeffizienz.
Eine Reduzierung des Gesamtenergiebedarfs, insbesondere im Wärmesektor, senkt den Spitzenstrombedarf im Winter und damit den saisonalen Speicher- oder Importbedarf.
Notwendiger politischer und regulatorischer Rahmen.
Die Umsetzung der saisonalen Speicherstrategie erfordert einen kohärenten, sektorübergreifenden Ansatz [siehe vorheriger Blogbeitrag], die Anpassung des Marktdesigns zur Vergütung von Speicherkapazitäten und Flexibilität, beschleunigte Bewilligungsverfahren [siehe vorheriger Blogbeitrag] und die Behebung der regulatorischen Ungleichbehandlung verschiedener Speichertechnologien. Die Energiepolitik, einschliesslich der Schaffung des notwendigen Rahmens für Speicher und internationale Abkommen, ist primär eine politische und gesellschaftliche Herausforderung.
Die saisonale Speicherung von Sommer- zu Winterstrom ist eine der kritischsten Herausforderungen auf dem Weg zu einem dekarbonisierten Energiesystem mit hohem Anteil fluktuierender Erneuerbarer. Sie ist technisch machbar, erfordert aber einen signifikanten Ausbau diverser Speichertechnologien – von Pumpspeichern über saisonale Wärmespeicher bis hin zu chemischer Speicherung via Power-to-X. Gleichzeitig müssen komplementäre Massnahmen wie der Ausbau der heimischen Winterproduktion, eine starke Integration in den europäischen Energiemarkt und die Flexibilisierung der Nachfrage konsequent verfolgt werden, um den Bedarf an saisonaler Speicherung zu minimieren. Entscheidend für den Erfolg ist der politische Wille, die notwendigen regulatorischen Anpassungen vorzunehmen, Investitionsanreize zu schaffen und die Schweiz langfristig in den europäischen Energiemarkt zu integrieren. Die Bewältigung der saisonalen Speicherherausforderung ist somit nicht nur eine technische Frage, sondern vor allem eine Frage der politischen Handlungsfähigkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz für die notwendigen Infrastrukturprojekte und regulatorischen Weichenstellungen. Nur durch ein koordiniertes Vorgehen kann sichergestellt werden, dass die Schweiz auch im Winter über eine stabile und nachhaltige Energieversorgung verfügt.
Welche Rolle spielt die Wasserkraft bei der Dekarbonisierung?
Die Wasserkraft spielt eine zentrale und fundamentale Rolle bei der Dekarbonisierung des Schweizer Energiesystems, sowohl aktuell als auch zukünftig.
Rückgrat der Stromerzeugung.
Die Wasserkraft ist das heutige Rückgrat der Stromerzeugung in der Schweiz. Sie liefert mit Abstand den grössten Anteil des Stroms (55% im Jahr 2019, 56% im Jahr 2023) und ist die wichtigste einheimische Energiequelle. Es wird erwartet, dass sie dies auch in den nächsten Jahrzehnten bleiben wird.
Praktisch CO2-freie Stromversorgung.
Dank der Wasserkraft verfügt die Schweiz bereits heute über eine praktisch CO2-freie Stromversorgung. Ihre Lebenszyklus-basierten CO2-Emissionen sind mit 5-15 gCO2/kWhel sehr niedrig.
Ermöglichung der Elektrifizierung.
Eine weitgehende Elektrifizierung von Endverbrauchssektoren wie Verkehr (E-Autos, Schwerlastverkehr), Wärme (Wärmepumpen) und Industrie ist entscheidend für die Dekarbonisierung. Die Wasserkraft liefert einen grossen Teil des dafür benötigten, CO2-freien Stroms.
Flexibilität und Speicherung.
Stauseen ermöglichen eine flexible Stromproduktion ("Power-on-demand"), und Pumpspeicherkraftwerke bieten Kurzzeitspeicherung (Laden/Entladen). Diese Flexibilität ist sehr wichtig für die Systemstabilität, insbesondere zur Integration fluktuierender erneuerbarer Energien wie Solarstrom, dessen tageszeitliches Muster sie ausgleichen können. Die Speicherkapazität der Staudämme lag 2019 bei ca. 9 TWh. Pumpspeicherkapazitäten sind vorhanden und werden ausgebaut. Pumpspeicher können systemstabilisierend eingesetzt werden und sollten von Netzentgelten für diesen Zweck befreit werden. Der Bundesrat hat die Wasserkraftreserven erhöht, um im Winter mehr Strom zur Verfügung zu haben.
Grundlast und Volllaststunden.
Laufwasserkraftwerke liefern Grundlaststrom. Wasserkraft kann auch dazu beitragen, die benötigten Volllaststunden für die Produktion von Wasserstoff im Power-to-H2-Prozess zu erreichen.
Wettbewerbsfähigkeit: Wasserkraft hat angemessene
Kosten (LCOE) und niedrige Grenzkosten.
Flexibilität durch "Power-on-Demand".
Eine der wichtigsten Funktionen von Stauseen und Pumpspeicherkraftwerken ist ihre Fähigkeit zur flexiblen Stromproduktion. Stauseekraftwerke können ihre Produktion schnell hoch- und herunterfahren, um auf die tatsächliche Nachfrage im Netz oder auf die schwankende Einspeisung aus anderen Quellen zu reagieren. Sie agieren als "Power-on-demand"-Anlagen, die Strom liefern, wenn er benötigt wird, und die Produktion drosseln, wenn ein Überangebot besteht. Diese Fähigkeit wird in einem Energiesystem mit einem wachsenden Anteil an variablen erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft immer wichtiger.
Speicherung: Kurzfristig und Saisonal.
Neben der flexiblen Produktion bieten Stauseen und Pumpspeicherkraftwerke auch erhebliche Speicherkapazitäten. Pumpspeicherkraftwerke sind die wichtigste Speichermöglichkeit auf Tagesebene. Sie speichern Strom, indem sie Wasser von einem tiefer gelegenen Becken in ein höheres pumpen, wenn Strom im Überfluss vorhanden und günstig ist (z.B. zur Mittagszeit bei hoher Solarproduktion). Bei Bedarf (z.B. am Abend, wenn die Solareinspeisung wegfällt und die Nachfrage steigt) lassen sie das Wasser durch Turbinen wieder ab. Sie bieten Kurzzeitspeicherung für Minuten, Stunden oder maximal ein paar Tage und tragen so massgeblich zum Ausgleich tageszeitlicher Produktions- und Verbrauchsmuster bei. Ihre Speicherdauer ist jedoch begrenzt. Der Wirkungsgrad bei Pumpspeichersystemen liegt typischerweise bei 75-80%, wobei eine andere Quelle von 25-30% Verlust spricht.
Grosse Stauseen sind die wichtigsten saisonalen Energiespeicher in der Schweiz. Sie können Energie speichern, indem sie im Sommer, wenn viel Wasser vorhanden ist (insbesondere durch Schneeschmelze) und die PV-Produktion hoch ist, Wasser zurückhalten. Diese gespeicherte Energie kann dann im Winter genutzt werden, wenn die Stromnachfrage höher ist und die Produktion aus Laufwasserkraft und PV geringer ausfällt. Die gesamte nutzbare Speicherkapazität der Schweizer Stauseen beträgt fast 9 TWh, von denen 6.5 TWh effektiv genutzt werden können. Es gibt Potenzial, diese Kapazität um bis zu 2 TWh zu erhöhen.
Integration fluktuierender Erneuerbarer.
Die zunehmende Einspeisung von variablem Solarstrom (und potenziell Windkraft) stellt das Stromnetz vor grosse Herausforderungen, da Angebot und Nachfrage jederzeit übereinstimmen müssen. Solarstrom wird hauptsächlich zur Mittagszeit produziert, während die Nachfrage oft am Morgen und Abend Spitzen aufweist. Pumpspeicherkraftwerke können helfen, dieses tageszeitliche Missverhältnis auszugleichen, indem sie überschüssigen Solarstrom aufnehmen und zu nachfragestarken Zeiten wieder abgeben. Stauseen können die saisonale Schwankung zwischen hoher Solarproduktion im Sommer und geringerer im Winter kompensieren.
Potenzial und Herausforderungen.
Trotz ihrer zentralen Rolle stehen auch die Stauseen und Pumpspeicherkraftwerke vor Herausforderungen. Ihr Wachstumspotenzial ist begrenzt, und der Ausbau von Stauseen kann auf öffentliche Akzeptanzprobleme stossen. Dennoch wird die bessere Nutzung der bestehenden Speicherinfrastruktur und die Erhöhung der Kapazität, wo möglich, als wichtige Massnahme empfohlen. Das realistische Ausbaupotenzial der Wasserkraft ist jedoch begrenzt (Grössenordnung von heute, bis zu 10% mehr). Es gibt Widerstand von Umweltschutzgruppen gegen die Erhöhung von Staudämmen und den Bau neuer Kraftwerke. Die Wasserkraft muss in einem System arbeiten, das einen massiven Anstieg des Strombedarfs verkraften muss, auch durch den Ersatz der Kernenergie. Die Pumpspeicherkapazität ist für die benötigte saisonale (langfristige) Energiespeicherung nicht ausreichend; dafür sind chemische Speicher wie synthetische Kraftstoffe besser geeignet. Der Klimawandel könnte die saisonale Verfügbarkeit von Wasser beeinflussen.
Integration in europäische Energiesysteme.
Eine starke Systemintegration über Landesgrenzen hinweg kann die Versorgungssicherheit verbessern und Effizienz steigern, indem Synergien zwischen unterschiedlichen nationalen Ressourcen genutzt werden. Die Integration in die europäischen Energiesysteme spielt eine fundamentale Rolle für die Gewährleistung einer hohen Versorgungssicherheit. Warum ist die Integration so wichtig?
Ausgleich saisonaler und tageszeitlicher Schwankungen.
Erneuerbare Energien wie Sonne und Wind sind naturgemäss variabel. Ihre Verfügbarkeit schwankt je nach Tageszeit, Wetter und Jahreszeit. Kleine Länder wie die Schweiz, deren Fläche kleiner ist als typische Wettersysteme, profitieren besonders stark vom Zugang zu grösseren Regionen. Durch die Vernetzung können regionale Ungleichgewichte zwischen Stromangebot und -nachfrage ausgeglichen werden. Wenn in einem Gebiet wenig Wind weht, könnte in einem anderen die Sonne intensiv scheinen oder viel Wind vorhanden sein. So kann beispielsweise der höhere Strombedarf der Schweiz im Winter, wenn die heimische Solarproduktion geringer ist, durch Importe aus Regionen mit anderer Produktionsstruktur (z.B. viel Windkraft) teilweise gedeckt werden, während die Schweiz im Sommer oder in Spitzenlastzeiten mit ihrer flexiblen Wasserkraft das europäische System unterstützen kann.
Diversifizierung der Quellen.
Ein international vernetztes System ermöglicht den Zugriff auf ein geografisch und technologisch breiter diversifiziertes Erzeugungsportfolio. Dies reduziert die Abhängigkeit von einer einzigen Technologie oder einem einzelnen Lieferanten und mindert damit Versorgungsrisiken.
Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung.
Ein System, das über nationale Grenzen hinweg koordiniert wird, kann die insgesamt benötigten Kapazitäten reduzieren, die Effizienz steigern und die Gesamtsystemkosten senken. Die Möglichkeit von Stromimporten, insbesondere während nachfragestarker Stunden im Winter, ist entscheidend für die Minimierung der Kosten.
Geringere Anfälligkeit für physische Angriffe und schnellere Reparaturen.
Im Vergleich zur Infrastruktur für fossile Brennstoffe (z.B. Gaspipelines) sind dezentralisierte Infrastrukturen für erneuerbare Energien weniger attraktive Ziele, und Stromleitungen können im Falle von Schäden oft schneller repariert werden.
Wie kann die Integration umgesetzt werden?
Die Umsetzung einer effektiven Integration erfordert vor allem politische und regulatorische Massnahmen.
Schaffung eines zuverlässigen rechtlichen Rahmens und verbindlicher Abkommen mit der EU: Dies wird von mehreren Quellen als wichtigste Voraussetzung genannt. Die Schweiz ist als Nicht-EU-Mitgliedstaat von vielen Marktmechanismen und Massnahmen für die Versorgungssicherheit in der EU ausgeschlossen. Ein Mangel an Integration in den EU-Strommarkt führt zu Unsicherheiten bei Importkapazitäten und der Netzsicherheit. Die sogenannte "70-Prozent-Regel" der EU, die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen Grossteil ihrer grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel innerhalb der EU zu reservieren, birgt die Gefahr, dass die Schweiz von grenzüberschreitenden Kapazitäten abgeschnitten wird, insbesondere im Winter, wenn sie auf Importe angewiesen ist. Ein politisches Abkommen ist notwendig, um die Schweizer Strominfrastruktur auf eine solide rechtliche Basis für die Einbindung in das europäische Verbundnetz zu stellen und den grenzüberschreitenden Stromhandel zu erleichtern.
Das Stromnetz muss die steigenden Strommengen transportieren können, insbesondere von entlegenen Erzeugungsgebieten (z.B. Alpen) zu den Verbrauchern und über Grenzen hinweg. Die Netzentwicklung muss koordiniert geplant werden. Eine engere Anbindung an das umliegende europäische System wird angestrebt, um das Schweizer Energiesystem robuster zu machen. Die Entwicklung eines zusätzlichen Gleichstromnetzes ("Supergrid") zur verlustarmen Übertragung grosser Strommengen über weite Distanzen ist in Prüfung und soll das europäische Netz stabilisieren und das Potenzial von Offshore-Windparks oder südeuropäischen Solaranlagen nutzen.
Eine stärkere Teilnahme an den Handelsplattformen und Koordinationsgremien der EU, von denen die Schweiz derzeit teilweise ausgeschlossen ist, würde die Systemstabilität und Handlungsspielräume verbessern.
Die nationale Politik sollte auf die internationale, insbesondere europäische Politik und Regulierung abgestimmt werden.
Über den Stromhandel hinaus wird die Schweiz voraussichtlich auch erneuerbare Energieträger wie Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe (Power-to-X) importieren müssen, da der gesamte benötigte Strom möglicherweise nicht vollständig im Inland erzeugt werden kann. Dies erfordert eine internationale Strategie zur Sicherstellung einer kosteneffizienten und geopolitisch widerstandsfähigen weltweiten Beschaffung dieser Energieträger, einschliesslich des Aufbaus entsprechender Transport- und Verteilungsinfrastrukturen (z.B. für Wasserstoff oder CO2). Dies ist Teil einer internationalen Strategie, die schrittweise die Infrastruktur für fossile Brennstoffe ersetzen soll.
Kooperationen bei Forschung und Entwicklung, z.B. im Bereich CO2-Entfernungstechnologien (NETs), sind ebenfalls Teil der internationalen Dimension.
Die Integration in die europäischen Energiesysteme kein optionales Extra, sondern eine entscheidende Säule für die Versorgungssicherheit der Schweiz auf dem Weg zu Netto-Null ist. Sie ermöglicht die Nutzung von Synergien, diversifiziert die Bezugsquellen und erhöht die Gesamteffizienz. Die Umsetzung erfordert jedoch in erster Linie die Überwindung politischer Hürden und die Schaffung eines verlässlichen rechtlichen Rahmens für die Zusammenarbeit mit der EU, um die Integration in den europäischen Strommarkt zu gewährleisten und die notwendigen Infrastrukturanpassungen sowie die internationale Beschaffung erneuerbarer Energieträger zu ermöglichen.
Wie soll das Gleichstromnetze "Supergrid" zur verlustarmen Übertragung grosser Strommengen über weite Distanzen umgesetzt werden?
Das "Supergrid" wird als ein zusätzliches Gleichstromnetz entwickelt, das das bestehende europäische Höchstspannungsnetz sinnvoll ergänzen soll. Das Hauptziel ist die verlustarme Übertragung grosser Strommengen über weite Distanzen zu geringeren Kosten. Die Entwicklung des Supergrids erfordert langfristige Planung, die über nationale Grenzen hinausgeht. Swissgrid, die schweizerische Übertragungsnetzbetreiberin, arbeitet hierzu gemeinsam mit angrenzenden Übertragungsnetzbetreibern aus Deutschland und Italien zusammen.
Konkret wird in einer gemeinsamen Studie geprüft, wie der Stromaustausch auf der Nord-Süd-Achse besser gestaltet und gesteuert werden kann. Das Supergrid soll dazu dienen, das Potenzial von Offshore-Windparks in der Nordsee, Solarfarmen in Südeuropa und Speichermöglichkeiten in den Alpen bestmöglich zu nutzen. Die Integration der Schweiz in das geplante europäische Supergrid wird als eine Herausforderung für das "Netz der Zukunft" genannt. Eine engere Anbindung an das umliegende europäische System wird angestrebt, um das Schweizer Energiesystem robuster zu machen.
Gleichstrom (DC)-basierte Technologien könnten für Hochspannungsübertragungsnetze wichtig werden. Die Übertragungsleitungen sind technologisch ausreichend (in der Grössenordnung von 10 GW mit Aussicht auf Erweiterung). Grundsätzlich zielen "Super Grids" darauf ab, bestehende Netzwerke regional über Klima- und Zeitzonen zu erweitern, um beispielsweise Produktionsanlagen in Nordafrika zur Stabilisierung des europäischen Netzes zu nutzen.
Die Umsetzung des Supergrids im schweizerischen und europäischen Kontext erfolgt primär durch internationale Koordination und gemeinsame Studien mit Partnern in Nachbarländern, um die technische Machbarkeit und die operationellen Abläufe für den effizienten Transport grosser Mengen erneuerbarer Energie von Produktionszentren (wie Windparks oder grosse Solaranlagen) zu Verbrauchszentren und Speichern zu klären und zu gestalten. Die physische Realisierung würde dann auf der Grundlage dieser Planungen folgen, wobei die notwendige Netzinfrastruktur ausgebaut und angepasst werden müsste.
Wie hoch ist der jährliche Nettostrombedarf in der Schweiz bis 2050?
Derzeit liegt der jährliche Stromverbrauch bzw. -bedarf in der Schweiz laut verschiedenen Quellen bei rund 60 TWh in einem mittleren Jahr oder etwa 65 TWh. Im Jahr 2023 war der Verbrauch aufgrund von Effizienzgewinnen trotz Bevölkerungszunahme und Elektrifizierung sogar auf einem Niveau wie zuletzt 2004. Allerdings wird erwartet, dass der Strombedarf in den kommenden Jahren und bis 2050 aufgrund der Dekarbonisierung der Sektoren Verkehr und Wärme stark ansteigen wird. Dies geschieht primär durch die Elektrifizierung:
- Ersetzung von Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen.
- Zunehmende Elektromobilität.
- Elektrifizierung von Hochtemperaturanwendungen in der Industrie.
Trotz Effizienzsteigerungen bei konventionellen Stromanwendungen, die einen Teil des Anstiegs kompensieren, wird der Gesamtstrombedarf voraussichtlich deutlich höher liegen als heute. Verschiedene Energiesystemmodelle und Szenarien für die Schweiz im Jahr 2050 kommen zu unterschiedlichen Schätzungen für den jährlichen Nettostrombedarf:
Modelle der ETH Zürich, die verschiedene Netto-Null-Szenarien simulieren, zeigen übereinstimmend, dass der jährliche Nettostrombedarf 2050 bei 80 – 100 TWh pro Jahr erwartet wird, gegenüber derzeit 60 TWh.
Eine Schätzung von swisscleantech geht davon aus, dass sich der Strombedarf der Schweiz von heute ca. 65 TWh bis 2050 auf 90 TWh erhöhen wird.
Eine Schätzung im Rahmen der Diskussion über die "Sonstige (konventionelle) Stromnachfrage" und andere Bedarfe kommt auf einen geschätzten Gesamtstrombedarf im Jahr 2050 von 69 TWhel (32 TWhel im Sommer und 37 TWhel im Winter), der sich aus der Summe nicht näher erläuterter Komponenten ergibt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die meisten Quellen, die eine Schätzung für den gesamten jährlichen Nettostrombedarf im Jahr 2050 angeben, von einem Anstieg auf rund 80 bis 100 TWh ausgehen, wobei eine Quelle eine niedrigere Schätzung von 69 TWh nennt. Dieser erhöhte Bedarf resultiert hauptsächlich aus der Elektrifizierung anderer Sektoren im Zuge der Dekarbonisierung.
Modelle der ETH Zürich.
Mehrere Energiesystemmodelle, die unabhängig voneinander im ETH-Bereich entwickelt wurden, simulieren verschiedene Szenarien für ein Schweizer Energiesystem, das bis 2050 das Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen erreichen soll. Zu diesen Modellen gehören unter anderem SES-ETHZ, STEM-PSI, SES-EPFL, Calliope, Nexus-e und EMPA-Modelle.
Diese techno-ökonomischen Energiesystemmodelle zeigen übereinstimmend, dass die Elektrifizierung der Sektoren Transport und Wärme ein zentraler Weg zur Dekarbonisierung ist. Dies führt zu einem deutlichen Anstieg des jährlichen Strombedarfs in der Schweiz.
Konkret erwarten die Ergebnisse dieser Modelle, dass der jährliche Nettostrombedarf im Jahr 2050 bei 80 – 100 TWh pro Jahr liegen wird. Dies steht im Vergleich zum derzeitigen Strombedarf, der laut Quellenangabe bei rund 60 TWh liegt. Der Anstieg wird also auf mindestens 80 TWh und potenziell bis zu 100 TWh geschätzt.
Obwohl der Strombedarf gemäss den Modellen künftig deutlich höher sein wird als heute, wird dieser durch den reduzierten Einsatz fossiler Brennstoffe kompensiert, was, zusammen mit Effizienzsteigerungen, sogar zu einem insgesamt geringeren Energiebedarf führen kann. Allerdings zeigen einige Energieperspektiven-Szenarien einen Anstieg der Stromnachfrage von nur 10-18% aufgrund von Effizienzgewinnen, was zu einem geringeren Gesamtbedarf als 80-100 TWh führen würde. Eine umfassendere Darstellung verschiedener Szenarien, einschliesslich der Energieperspektiven 2050+ und JASM, zeigt jedoch, dass der geschätzte Stromverbrauch im Jahr 2050 in einem Bereich von 64 bis 97 TWhel liegen kann. Die 80-100 TWh-Spanne scheint die Konsensus-Erwartung der im ETH-Bereich durchgeführten vergleichenden Modellstudien zu sein.
Die Simulationen zeigen, dass dieser erhöhte Strombedarf im Jahr 2050 durch eine Kombination aus heimischen erneuerbaren Energiequellen wie Wasser-, Sonnen- und Windkraft sowie Holz- und Abfallenergie und Gas bzw. Biogas, gegebenenfalls mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), gedeckt werden kann. Auch der Stromhandel mit Nachbarstaaten spielt eine wichtige Rolle.
Die Studien, die auf diesen Modellergebnissen basieren, kommen zu dem Schluss, dass ein Netto-Null-Energiesystem bis 2050 machbar und bezahlbar ist.
Wann wird die Schweiz Netto-Null erreichen?
Die Schweiz strebt das Ziel an, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen. Die Schweiz ist laut einer Studie von UBS in einer guten Ausgangslage, um ihre Klimaziele zu erreichen, und weist eine niedrige Kohlenstoffintensität auf, da die Stromerzeugung im Inland zum grössten Teil kohlenstofffrei ist (hauptsächlich durch Wasserkraft). Bis 2022 sanken die CO2-Emissionen bereits um 24 Prozent gegenüber 1990.
Allerdings zeigen die "Energieperspektiven 2050+" und andere Studien, dass die derzeit umgesetzten Massnahmen voraussichtlich nicht ausreichen werden, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen. Die Dekarbonisierung von Energie, Wärme, Mobilität und Industrie wird den Strombedarf bis 2050 voraussichtlich stark ansteigen lassen. Die Erreichung des Netto-Null-Ziels bis 2050 wird als technisch machbar und bezahlbar eingeschätzt. Es ist wichtig zu erwähnen, dass einige Quellen die Ansicht vertreten, dass das Ziel, Netto-Null bis 2050 zu erreichen, möglicherweise nicht ausreicht, um das 1.5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten, da das verbleibende Treibhausgasbudget der Schweiz möglicherweise deutlich früher aufgebraucht sein könnte, insbesondere ohne beschleunigte Massnahmen. Dennoch ist Netto-Null bis 2050 das gesetzlich verankerte Ziel für die gesamte Schweiz.
Disclaimer / Abgrenzung
Stromzeit.ch übernimmt keine Garantie und Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Bericht enthaltenen Texte, Massangaben und Aussagen.
Quellenverzeichnis (Mai 2025).
https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=99485
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/foerderungen-klimaschutz/dekarbonisierung-der-industrie.html
https://www.strom.ch/de/wissen/vse-studien/energiewelten/energiewelten/strom-der-schluessel-zur-dekarbonisierung
https://www.strom.ch/de/schwerpunkte/klima
https://www.energieschweiz.ch/sich-informieren/dekarbonisierung/
https://www.pwc.ch/de/insights/nachhaltigkeit/fuer-eine-gruenere-schweizer-wirtschaft-engagiert.html
https://www.electrosuisse.ch/de/engineering/dekarbonisierung/
https://www.safetycenter.ch/Dekarbonisierung-der-Schweizer-Industrie
https://enaw.ch/angebot/roadmap-zur-dekarbonisierung
https://sustainableswitzerland.ch/artikel/ubs/starker-start-auf-dem-weg-zu-netto-null-id.3211
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/energie/grundsaetze-der-energiepolitik.html
https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=99485
https://www.zkb.ch/de/blog/anlegen/nervensystem-dekarbonisierung.html
https://www.swissgrid.ch/de/home/projects/future-grid.html
https://www.energie-experten.ch/de/wissen/detail/das-stromnetz-auf-dem-weg-in-die-zukunft.html
https://www.swissgrid.ch/de/home/newsroom/newsfeed/20250430-01.html
https://www.powernewz.ch/rubriken/versorgungssicherheit/
https://www.energieinside.ch/im-fokus/netto-null-2050
https://www.ekz.ch/de/blue/wissen/2025/daniel-bucher-ekz-herausforderungen-stromnetz-interview.html
https://www.swisscleantech.ch/page/3/?lang=de
https://www.swisscleantech.ch/ohne-stromgesetz-kein-netto-null/