«Mattmark 2045» Staudamm Erhöhung um 10 Meter, 18 % mehr Volumen, 60 GWh zusätzlicher Winterstrom.
22.11.2025
Angesichts der «Energiestrategie 2050» und des Klimawandels wird der Bedarf an saisonaler Verschiebung von Stromerzeugung vom Sommer- ins Winterhalbjahr untersucht. Die Autoren präsentieren. Eine systematische Potenzialstudie von 38 großen Stauseen in den Schweizer Alpen bewertet die Erhöhungsoptionen der Talsperren um 5, 10 oder 20 %. Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Ausbau von 17 bis 26 dieser Stauseen zusätzlich 2.2 bis 2.9 TWh pro Jahr vom Sommer- in das Winterhalbjahr umgelagert werden könnten, was die winterliche Stromproduktion der Speicherkraftwerke deutlich erhöhen würde.
Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter: Das Ausbaupotenzial des Mattmark-Staudamms und seine Relevanz für die Schweizer Energiezukunft.
Der Ausbau der bestehenden Speicherseen in der Schweiz, wie das Projekt Mattmark im Kanton Wallis, ist ein zentraler Pfeiler zur Deckung des wachsenden Bedarfs an saisonaler Speicherkapazität für elektrische Energie. Das Projekt Mattmark, eines von insgesamt 15 vom Runden Tisch Wasserkraft des Bundes identifizierten Ausbauprojekten, zielt darauf ab, die Versorgungssicherheit, insbesondere in den Wintermonaten, signifikant zu verbessern.
1. Energiewirtschaftlicher und klimatischer Kontext.
Die Notwendigkeit des Speicherausbaus ergibt sich direkt aus den Zielen der Energiestrategie 2050 und den Auswirkungen des Klimawandels.
Energiestrategie und Umlagerungspotenzial.
Die Schweizer Elektrizitätsversorgung basiert traditionell zu 55 % auf Wasserkraft (im Durchschnitt der letzten 10 Jahre). Der geplante schrittweise Ausstieg aus der Kernenergienutzung führt zu einem Wegfall von 24 TWh/a, wovon 13 TWh/a das Winterhalbjahr betreffen. Gleichzeitig führen die Verbreitung von Elektromobilität und Wärmepumpen zu einem steigenden Strombedarf. In der Folge wird die inländische Elektrizitätsproduktion im Winter voraussichtlich deutlich unter dem Bedarf liegen. Dies soll durch die Verstärkung der Umlagerung der Elektrizitätsproduktion vom Sommer in das Winterhalbjahr reduziert werden:
Die Schweiz war in den letzten 10 Jahren im Winterhalbjahr auf Nettoimporte angewiesen, die im Mittel 4,3 TWh pro Winter betrugen. Generelle Potenzialstudien zeigen: Würden 17 bis 26 der 38 grössten Speicherseen in den Schweizer Alpen ausgebaut, könnten 2,2 bis 2,9 TWh pro Jahr zusätzlich in das Winterhalbjahr umgelagert werden. Dies würde die Winterproduktion der Speicherwasserkraftwerke von 48 % auf 59 % bzw. 62 % der Jahresproduktion steigern.
Multifunktionalität und Klimawandel.
Die Speicherseen gewinnen zusätzlich an Bedeutung durch die Folgen der Klimaerwärmung:
- Hochwasserschutz: Stauseen dienen als hervorragender Hochwasserschutz, dessen Bedeutung angesichts intensiverer Hochwasser und häufigerer Extremereignisse zunimmt. Ihre Speicherwirkung kann die Hochwasserabflüsse im Einzugsgebiet der Rhone um etwa 20 Prozent reduzieren. Ohne die Speicherung im Mattmark-Stausee und die Umleitung in den Lac des Dix wäre der Pegelstand der Rhone zwischen Visp und Sitten im Falle von Hochwasser um etwa 30 cm gesunken.
- Gletscherschwund: Der Abschmelzung und Schwund der Gletscher führen zu einer Veränderung des hydrologischen Regimes. Es wird geschätzt, dass die Wasserspeicherung in den Schweizer Gletschern bis 2050 um rund 40 Prozent kleiner sein wird.
- Multifunktionalität: Die Bauwerke müssen heute auf mehr als nur Energieerzeugung ausgelegt werden. Die Multifunktionalität wird künftige Wasserkraftanlagen stärker prägen und Nutzungen wie die Versorgung mit Trinkwasser und Wasser für die Bewässerung sowie ein proaktives Hochwassermanagement integrieren.
2. Das Projekt Staudamm Mattmark: Eckdaten und Nutzen.
Im Auftrag der Kraftwerke Mattmark AG (KWM) prüft Axpo derzeit die Möglichkeit einer Vergrösserung der bestehenden Stauanlage.
Geplante Umsetzung und Leistung.
Für das Projekt Mattmark wurden zwei Varianten, eine Erhöhung um 3 Meter bzw. 10 Meter, auf ihre Machbarkeit geprüft. Die Erhöhung um 10 Meter wurde als die vorteilhaftere Variante identifiziert, da sie die grösstmögliche Umlagerung der Stromproduktion in den Winter erzielt:
- Volumen und Umlagerung: Eine Erhöhung um zehn Meter würde das Volumen des Stausees Mattmark um rund 18 Prozent vergrössern. Dadurch könnte der aktuelle Jahreszufluss des Sees vollständig gespeichert werden, wodurch im Winter mehr Wasser für die Stromproduktion zur Verfügung stünde.
- Winterproduktion: Durch diese Verlagerung könnten in den Wintermonaten rund 60 GWh (Gigawattstunden) zusätzlicher Strom produziert werden. Dies leistet einen substanziellen Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter.
- Jahresproduktion: Die gesamte Jahresproduktion der KWM bliebe unverändert. Aktuell produziert das Kraftwerk 33 GWh im Winterhalbjahr und 28 GWh im Sommerhalbjahr.
- Technik und Kosten: Die erforderliche Investition wird derzeit auf rund 83 Millionen Franken geschätzt. Die Bauzeit würde rund vier Jahre betragen. Das heutige Layout der KWM-Anlagen soll beibehalten werden, ohne neue Wasserfassungen oder Zuleitungen in den Stausee.
Hochwasserschutz.
Der Staudamm Mattmark trägt bereits zum Hochwasserschutz bei. Im Jahr 2001 wurde die Hochwasserentlastung um 2 Meter erhöht und dadurch ein zusätzliches Rückhaltevolumen von 3,6 Mio. m³ geschaffen, das dem Kanton Wallis zum Schutz des Saastales und der Region Visp dient. Dieser bestehende Hochwasserschutz würde durch eine Erhöhung des Staudamms Mattmark aufrechterhalten.
3. Realisierungshemmnisse und Governance.
Ob die Erhöhung des Staudamms Mattmark realisiert werden kann, hängt von mehreren kritischen Faktoren ab.
Vertragliche und rechtliche Hürden.
Der Abschluss einer Restwertvereinbarung für die Investition mit den elf Konzessionsgemeinden und dem Kanton Wallis ist unabdingbar:
- Das bestehende Wassernutzungsrecht der KWM endet im Jahr 2045, wonach die Anlagen im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Heimfalls an die Konzessionsgemeinden übergehen könnten.
- Da die hohen Investitionen für den Ausbau seitens der KWM bis 2045 nicht amortisiert werden könnten, muss eine Vereinbarung über den Restwert der neu zu bauenden Anlageteile zum Ende der Laufzeit geregelt werden.
- Für die Dammerhöhung ist ausserdem eine Zusatzkonzession erforderlich.
Die Initiative «Mattmark 2045».
Die Initiative «Mattmark 2045» wurde von den elf Konzessionsgemeinden ins Leben gerufen, um den Ausbauprozess der Stauanlage Mattmark zu begleiten:
- Beteiligte Gemeinden: Eisten, Embd, Grächen, Saas-Almagell, Saas-Balen, Saas-Fee, Saas-Grund, St. Niklaus, Stalden, Staldenried und Törbel.
- Ziele: Die Initiative vertritt die Interessen der Gemeinden und der Bevölkerung, klärt finanzielle und rechtliche Fragen (wie fällige Entschädigungen), überwacht die Bauphase (zur Minimierung der Belastung der Bevölkerung), und sichert den Abschluss der Restwertvereinbarung.
- Struktur: Jede Gemeinde entsendet ihren Gemeindepräsidenten in den Steuerungsausschuss. Die Projektleitung besteht aus Experten für Technik und Koordination (Alain Bregy), Finanzen (Florian Ruffiner) und Recht (Aron Pfammatter).
Umwelt und Wirtschaftlichkeit.
Weiterhin sind eine Einigung zwischen den Umweltverbänden, dem Kanton Wallis und der KWM bezüglich der zusätzlich zu leistenden Ausgleichsmassnahmen zum Schutz von Biodiversität und Landschaft erforderlich. Zudem hängt die Wirtschaftlichkeit der Dammerhöhung von vielen Variablen ab.
4. Regionale und Gesellschaftliche Auswirkungen.
Die mögliche Erhöhung des Staudamms Mattmark könnte die Region und die Gemeinden im Saastal profitieren lassen:
- Wirtschaftliche Impulse: Die Bauphase würde die regionale Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze in der Region schaffen.
- Touristische Attraktivität: Die Erhöhung könnte die Bekanntheit der Region und die touristische Attraktivität langfristig stärken, begleitet von entsprechenden Massnahmen während und nach der Bauphase.
- Ergebnisse der Bürgerbeteiligung (Puls-Check 2025)
- Ein "Puls-Check" zur geplanten Erhöhung fand vom 18. Februar bis 16. März 2025 statt, durchgeführt von Saastal Tourismus AG in Zusammenarbeit mit der Initiative Mattmark 2045 und unterstützt von den elf Konzessionsgemeinden. Die Umfrage erhielt 364 Rückmeldungen.
Bereich |
Ergebnisse des Puls-Checks |
|
Wirtschaftliche Erwartungen |
70 % der Befragten erwarten positive wirtschaftliche Auswirkungen. 60 % erwarten wirtschaftliches Wachstum und Verbesserungen in der Infrastruktur. |
|
Bürgerbeteiligung |
85 % fordern eine stärkere Einbindung der Bevölkerung und regelmässige, transparente Updates zum Projekt. |
|
Umweltschutz |
35 % betonen die Notwendigkeit konkreter Umweltschutzmassnahmen, insbesondere zum Schutz der Flora und Fauna. 50 % der Befragten erwarten negative Auswirkungen des Projekts auf die Natur. |
|
Infrastruktur/Bedenken |
50 % der Teilnehmer haben Bedenken bezüglich Lärmemissionen und zusätzlichem Verkehr durch die Baustelle. 55 % der Befragten in Saas-Balen und Eisten machen sich Sorgen über mögliche negative Auswirkungen auf die Infrastruktur. |
|
Tourismus |
70 % der Befragten aus Saas-Fee unterstützen die Idee, die Baustelle als touristische Attraktion zu nutzen, während die Unterstützung in Saas-Almagell und Saas-Grund mit 30–40 % geringer ist. 55 % bevorzugen Wintertourismus. |
Die verantwortlichen Gremien von Mattmark 2045 und Saastal Tourismus wollen die Anliegen und Wünsche der Bevölkerung in die Planung und Umsetzung integrieren, wobei die nachhaltige Entwicklung und die Fortführung des Dialogs als besonders wichtig erachtet werden.
5. Axpo als Akteur und weitere Beispiele.
Die Axpo, die mit 38,88 Prozent an der KWM beteiligt ist (zusammen mit der Tochter CKW, BKW, Stadt Sitten, ewl und Stadt Siders), hat die Vorstudie erarbeitet und bearbeitet aktuell das technische Vorprojekt und den Umweltverträglichkeitsbericht.
Die Notwendigkeit, neue Speicherkapazitäten zu schaffen, wird auch durch andere Grossprojekte verdeutlicht, wie etwa den geplanten Mehrzweckspeicher Gornerli oberhalb von Zermatt. Dieser soll allein 650 GWh (ein Drittel des zusätzlich im Winter benötigten Stroms) liefern und gleichzeitig als Trinkwasser- und Bewässerungsreserve sowie zum Management hydrologischer Risiken im Mattertal dienen. Der Bau eines Reservoirs am Oberlauf würde das Risiko von Überschwemmungen beträchtlich verringern.
6. Energiewirtschaftlichen und klimatischen Treiber für den Speicherausbau.
1. Saisonale Umlagerung und Winterversorgung:
In den Schweizer Alpen fällt der Grossteil des jährlichen Wasserabflusses im Sommerhalbjahr an, während der Elektrizitätsverbrauch im Winterhalbjahr höher ist. Speicherwasserkraftwerke tragen zum saisonalen Ausgleich bei, indem sie Energie vom Sommer in den Winter verlagern:
- Der Ausbau zielt darauf ab, die Umlagerung der Elektrizitätsproduktion vom Sommer- in das Winterhalbjahr zu verstärken.
- Wenn 17 bis 26 der grössten Stauseen ausgebaut würden, könnten 2.2 bis 2.9 TWh pro Jahr zusätzlich in das Winterhalbjahr umgelagert werden, was die Winterproduktion der Speicherwasserkraftwerke von 48 % auf 59 % bzw. 62 % der Jahresproduktion steigern könnte.
- Am Beispiel des Projekts Mattmark würde eine Erhöhung des Staudamms um zehn Meter die Verlagerung von rund 60 GWh zusätzlicher Stromproduktion in die Wintermonate ermöglichen.
2. Reduzierung der Importabhängigkeit:
Der Ausbau ist notwendig, um die Abhängigkeit von Elektrizitätsimporten im Winter zu reduzieren:
- Seit 2002 verzeichnete die Schweiz im Winterhalbjahr Nettoimporte von bis zu 10 TWh. Im Mittel der letzten 10 Jahre betrug der Nettoimport im Winter 4.3 TWh, was 14 % der inländischen Winter-Nettoerzeugung entsprach.
- Eine um gut 2 TWh/a höhere Elektrizitätsproduktion im Winterhalbjahr könnte den jährlichen Nettoimport im Winter um etwa die Hälfte reduzieren.
3. Energiestrategie 2050 und Kernenergieausstieg:
Die Strategie sieht den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergienutzung vor (-24 TWh/a insgesamt; -13 TWh/Winterhalbjahr):
- Aufgrund dieses Wegfalls und des steigenden Bedarfs durch Elektromobilität und Wärmepumpen wird die inländische Elektrizitätsproduktion im Winter deutlich unter dem Bedarf liegen.
4. Integration neuer erneuerbarer Energien:
Der Ausbau der Speicherkapazität ist eine wichtige Voraussetzung für die Integration der zunehmenden intermittierenden Produktion von «neuen» erneuerbaren Energien (wie Photovoltaik und Wind), insbesondere in Europa.
5. Klimatische Treiber und Multifunktionalität.
1. Hochwasserschutz und Extremereignisse:
Die Folgen der Klimaerwärmung äussern sich in intensiveren Hochwassern und häufigeren extremen Wetterereignissen.
Stauseen spielen bereits heute eine wichtige Rolle als hervorragender Hochwasserschutz und ihre Bedeutung wird künftig zunehmen. Sie sind in der Lage, die Abflüsse in nachgelagerten Fliessgewässern zu verringern und umfangreiche Speichermöglichkeiten zu bieten.
2. Veränderte Abflussregime durch Gletscherschwund:
Das Abschmelzen und der Schwund von Gletschern sind direkte Folgen der Klimaerwärmung:
- Die Wasserspeicherung in den Schweizer Gletschern wird bis 2050 voraussichtlich um rund 40 % kleiner sein.
- Zusammen mit dem Anstieg der Schneefallgrenze und veränderten Niederschlagsmustern führt dies zu einer allmählichen Veränderung des nivo-glazialen Regimes hin zu einem zunehmend pluvio-nivalen Regime.
- Zukünftig sind grössere Abflussschwankungen zu erwarten.
3. Trockenperioden und Wasserbedarf:
Die Zunahme der Trockenperioden im Sommer wird immer ausgeprägter.
Der Speicherausbau ermöglicht die Multifunktionalität der Wasserkraftanlagen, um sich ändernden Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Dazu gehört neben dem Hochwasserschutz auch die Versorgung mit Trinkwasser und Wasser für die Bewässerung in Trockenzeiten.

7. Fazit und Empfehlungen.
Der Ausbau des Mattmark-Staudamms ist ein konkretes Beispiel für die Umsetzung der energiepolitischen und klimatischen Erfordernisse der Schweiz. Durch die potenziell zusätzliche Umlagerung von 60 GWh Winterstrom leistet das Projekt einen substanziellen Beitrag zur Reduktion der Importabhängigkeit und zur Stärkung der Versorgungssicherheit.
Angesichts der langen Realisierungszeiträume (bis zu 15 Jahre für Planung und Bau) und der Komplexität der Abstimmung zwischen den elf Konzessionsgemeinden, dem Kanton und den Umweltverbänden, wird die rasche Fortsetzung von Studien und die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für den Ausbau bestehender Speicherseen empfohlen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der indirekten Zusatznutzen wie der verstärkte Beitrag zum Hochwasserschutz.
Das Schweizer Stromnetz der Zukunft.
Disclaimer / Abgrenzung
Stromzeit.ch übernimmt keine Garantie und Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Bericht enthaltenen Texte, Massangaben und Aussagen.











